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„Kohle ist eine Gefahr für die Menschheit“

Klimaschutz Der Umweltrechtler Thorsten Deppner über die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen für eine Dekarbonisierung

Der Braunkohletagebau sieht auch so schon nicht gesund aus: Protest bei Welzow im Mai Foto: Björn Kietzmann

Interview Christian Rath

taz: Herr Deppner, erleichtert oder erschwert das Karlsruher Urteil zum Atomausstieg aus der vergangenen Woche einen Ausstieg aus der Kohle-Wirtschaft?

Thorsten Deppner: Es erleichtert den Kohleausstieg. Man muss ihn nur wollen.

Das Bundesverfassungsgericht stuft Atomkraft als „Hochrisikotechnologie“ ein. Deshalb durfte der Gesetzgeber 2011 deren Risiken neu bewerten. Sind Kohlekraftwerke ähnlich riskant für die jeweilige Region?

Die Kohlewirtschaft ist eine Gefahr für die Menschheit, das sollte genügen. Wenn wir nicht aus der Kohleverbrennung aussteigen, ist die Klimakatastrophe kaum noch zu stoppen. Kohlekraftwerke sind anders gefährlich, aber nicht weniger gefährlich.

Sehen die Richter das auch?

Natürlich, das sind verantwortungsbewusste Persönlichkeiten. Außerdem hat Deutschland das Pariser Klimaabkommen ratifiziert und sich damit völkerrechtlich verpflichtet, an der Begrenzung des Temperaturanstiegs auf deutlich unter zwei Grad mitzuwirken.

Kohleausstieg – was hieße das praktisch?

Die Kohlekraftwerke haben derzeit eine unbefristete Betriebserlaubnis. Ein Ausstiegsszenario wäre, diese Betriebsgenehmigungen mit einem Kohleausstiegsgesetz nachträglich zu befristen. Wie beim Atomausstieg könnten die Kraftwerke dann zeitlich gestaffelt abgeschaltet werden, so wäre ein geordneter Umbau der Energiewirtschaft möglich.

Aufarbeitung Atomausstieg

Das Urteil: Das Bundesverfassungsgericht hat festgestellt, dass den Energiekonzernen nach dem Atomausstieg für sinnlos gewordene Investitionen ein Ausgleich zusteht. Dieser sei aber nicht so hoch wie gefordert.

Ausstehende Klagen: Am Freitag haben mehrere Energiekonzerne erklärt, sie wollten rund 20 weitere Klagen fallen lassen. Allerdings wären dann immer noch Forderungen von insgesamt 12 Milliarden Euro anhängig. Atomkraftgegner sprechen deshalb von einer „PR-Maßnahme“.

Müsste der Staat bei einem Kohleausstieg Entschädigungen bezahlen?

Nein. Das hat das Bundesverfassungsgericht nun klar entschieden. Die nachträgliche Befristung einer Betriebsgenehmigung ist keine Enteignung, sondern eine Inhaltsbestimmung des Eigentums.

Aber auch dabei können Entschädigungen geboten sein …

Wenn die Inhaltsbestimmung sonst unverhältnismäßig wäre, verlangt das Bundesverfassungsgericht eine Entschädigung oder eine Übergangslösung. Wie beim Atomausstieg könnte den Kohlekraftwerken also eine Restlaufzeit eingeräumt werden, dann müsste der Staat keine Entschädigung zahlen.

Wie lang wäre die?

Hierfür hat Karlsruhe keine Vorgaben gemacht. Nach meiner Ansicht genügt es, wenn ein Kraftwerk so lange Strom erzeugen kann, bis sich die Investitionskosten amortisiert haben.

privat
Thorsten Deppner

35, ist Anwalt für Umweltrecht in Berlin. Er vertritt auch Braun­kohle­gegner.

Rot-Grün hatte den AKW-Betreibern 2000/2002 beim Atomkonsens noch Extrajahre und damit ein Recht auf Gewinn zugebilligt.

Rechtlich war das nicht erforderlich. Aber wenn man einen Vertrag mit den Betreibern schließt, muss man über das rechtliche Minimum hinausgehen – im Gegenzug hat man dann schneller Rechtssicherheit.

Zur Kohlewirtschaft gehört neben der Verbrennung auch der Abbau der Kohle. Gelten hier die gleichen Vorgaben?

Ja. Allerdings werden die Beihilfen für den subventionsbedürftigen Steinkohlebergbau 2018 ohnehin endgültig eingestellt. Ein Problem ist dagegen der Braunkohletagebau, vor allem im Rheinland und in der ­Lausitz. Auch hier sollte der Gesetzgeber den Ausstieg beschließen und nur noch eng bemessene Restbetriebszeiten einräumen.

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