: „Und jetzt noch die Stadt elektrifizieren“
Schöner fahren Der Verkehrsexperte Andreas Knie über Carsharing, Parkplätze, bessere Fahrradwege, Experimentierfreude – und ein vorbildliches Berlin
55, ist Geschäftsführer des Innovationszentrums für Mobilität und gesellschaftlichen Wandel. Knie beschäftigt sich seit Jahren mit Konzepten für eine Verkehrswende.
taz: Herr Knie, freuen Sie sich auf die Verkehrspolitik von Rot-Rot-Grün?
Andreas Knie: Ja, natürlich. Denn wir brauchen jetzt endlich mal wieder eine Politik, die den Namen auch verdient.
Was wird besser?
Rot-Schwarz der letzten Jahre war Stillstand, war Verwaltung des Mangels. Nun soll mehr Platz in der Stadt durch eine intelligentere Form des Verkehrs geschaffen werden: Flächendeckende Parkraumbewirtschaftung gehört dazu – ebenso wie der Boulevard Unter den Linden, der vom Verkehr der privaten Autos weitgehend befreit ist. Auch dem Fahrradverkehr muss endlich mehr Platz eingeräumt werden.
Was bedeutet Parkraumbewirtschaftung?
Das heißt einfach schlichtweg: Wenn ich ein privates Auto auf einen öffentlichen Parkplatz, also auf der Straße, abstelle, dass ich dafür etwas zu bezahlen habe.
Kann eine autofreie Zone, wie sie Unter den Linden geplant ist, eine nachhaltige Wirkung haben?
In Berlin sind wir in einer völlig grotesken Situation, dass wir zwar 1,2 Millionen Pkws haben, aber für die gesamte Fahrleistung nicht mehr als 350.000 Autos bräuchten.
Wie kann die Senatsverwaltung das Carsharing noch attraktiver machen?
Was Berlin zum Beispiel machen könnte, ist eine gerechte Bepreisung des öffentlichen Raums. Die Kosten für den Parkraum belaufen sich auf bis zu 20 Euro am Tag, die dann für eine private Nutzung bezahlt werden müssen. Dann werden Carsharing-Autos über Nacht sehr attraktiv.
Private Autos werden dann uninteressant.
Private Fahrzeuge braucht die Stadt nicht mehr, wir haben genug Gerätschaften hier. Sharen, mieten, leasen: Alles wird mit allem vernetzt. Dann ist ein privates Auto nicht mehr nützlich.
Was sind denn die wichtigen Konzepte einer nachhaltigen Verkehrspolitik?
Elektrifizierung des Verkehrs. Das ist das A und O. Verkehr macht den wesentlichen Teil der Kohlendioxidausstöße und Schadstoffe aus. Wir haben nicht nur ein Klimaproblem, sondern auch eine Schadstoffentwicklung, die nicht positiv ist. Wir müssen den Verkehr komplett elektrifizieren, mit regenerativem Strom. Das muss jetzt konsequent umgesetzt werden.
Was kann der Senat tun, um Fahrradfahren attraktiver zu machen?
Der Anteil der Fahrradfahrer hat sich in Berlin in den letzten Jahren verdoppelt. Das Fahrrad muss weg von einem engen Fahrradstreifen. Das Fahrrad muss auf die Fahrbahn, und dort muss es Platz bekommen. Es muss auch entsprechende Ampelschaltungen geben, und die Schnellwege müssen auch realisiert werden.
Wird Berlin eine Vorbildfunktion erlangen?
Ja, denn wir haben hier Menschen, die sehr weit denken und viel experimentieren. Und wenn wir dem Raum geben, dann können wir endlich an historische Meilensteine anschließen. Wir haben im Jahr 1930 weltweit den ersten Einheitsfahrschein eingeführt und 1988 das Carsharing. Jetzt können wir noch die Stadt elektrifizieren, dann haben wir wieder Vorbildfunktion.
Interview Valerie Höhne
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