: Das Stinktier kehrt zurück
Klimapolitik Mit Donald Trump verlieren die USA ihre umweltpolitische Führungsrolle. Und ausgerechnet jetzt schwächelt Deutschland
Jahrgang 1965, ist taz-Redakteur für Wirtschaft und Umwelt, mit dem Schwerpunkt Energie- und Klimapolitik. Er verfolgt seit 2006 intensiv das Auf und Ab der UN-Klima-Konferenzen. Der Amerikanist staunt immer wieder über den ideologischen Eifer der "Klimaskeptiker" in den USA.
von Bernhard Pötter
In den USA heißt so etwas ein „perfekter Sturm“ und gemeint sind nicht die Hurrikane vor der Golfküste: Am Dienstagabend scheiterte der „Klimaschutzplan 2050“ der Bundesregierung in der letzten Abstimmungsrunde zwischen den Koalitionsspitzen. Und ein paar Stunden später wurde ein bekennender Leugner des Klimawandels zum 45. Präsidenten der USA gewählt. Mit diesem Doppelschlag wurden zwei große Hoffnungen auf Fortschritte beim Klima vorerst zunichte gemacht.
Der Schaden für Klimapolitik ist enorm. Denn trotz aller Lücken und Luftbuchungen wäre der „Klimaschutzplan 2050“ ein großer Schritt vorwärts. Auf der Klimakonferenz im marokkanischen Marrakesch, wo man derzeit versucht, den Schock über den US-Wahlausgang zu verbergen, wollte Deutschland mit diesem Plan seine Führungsrolle bei der „Dekarbonisierung“ untermauern: Ein Industrieland mit minus 27 Prozent Treibhausgasen und 33 Prozent Ökostrom wollte zeigen, wie man aus Atom und Kohle aussteigen kann.
Dafür fordert der deutsche Klimaschutzplan konkrete Regeln: welche Ministerien wie viel Klimaschutz erbringen müssen, einen Mindestpreis im EU-Emissionshandel und eine Kommission zum Ausstieg aus der Braunkohle. Der Plan könnte ein Vorbild sein, wenn er nicht unter ungeklärten Umständen durch Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) blockiert würde.
Zynische Tatsachenverdreher
Das Veto des SPD-Chefs sendet genau das falsche Signal an die verunsicherte Staatengemeinde in Marrakesch. Denn der deutsche Plan gründet auf solider Wissenschaft: Wenn bis 2100 der Klimawandel nicht vollends eskalieren soll, müssen gegen 2070 die CO2-Emissionen praktisch aufhören. Um das durchzusetzen, bettelt aber nicht mehr das Umweltministerium um milde Klimagaben. Nein, der Plan legt zum Beispiel fest, dass bis 2030 im Verkehr 40 Prozent CO2 eingespart wird. Wie der Verkehrsminister das schafft, ist seine Sache. Da wird es viel Tricksereien geben, aber die Beweislast ist umgedreht worden. Wer behauptet, Klimaschutz sei bei ihm nicht machbar, der muss sagen, woher die Reduktionen kommen sollen.
Genau gegen diese politische Ableitung aus der wissenschaftlichen Logik sperrt sich Donald Trump. Das ist wenig verwunderlich. Denn seine zynische Manipulation der Öffentlichkeit hat er von den „Klimaskeptikern“ übernommen, die mit dem Geld der fossilen Industrie seit 20 Jahren einen Krieg gegen Aufklärung und Wissenschaft führen: Lügen, täuschen und verleumden gehört da zum guten Ton.
Mit Trump, der Inkarnation des aggressiven Tatsachenverdrehers, hat die Manipulation der Öffentlichkeit das höchste Amt der USA erreicht. Dabei sind seine Aussagen zum Klima so erratisch und vage wie fast alle seine Äußerungen. Mal hält er den Klimawandel für eine Erfindung der Chinesen, um der US-Wirtschaft zu schaden. Dann behauptet er wieder, das nie gesagt zu haben. Das Pariser Abkommen will er „neu verhandeln“, was gar nicht möglich ist. Aber aussteigen kann er immer – mit einer Karenzzeit von drei bis vier Jahren.
Klimadiplomaten erleben ein Déjà-vu: Denn schon einmal, im Jahr 2000, stieg ein neuer Präsident, George W. Bush, aus den Verpflichtungen der USA zum Klimaschutz aus. Dieser Ausstieg bremste den gesamten Prozess, brachte Schwellenländer wie China gegen die Industriestaaten auf und führte letztlich zum Scheitern des Gipfels in Kopenhagen. Jahrelang benahm sich die US-Delegation bei den Klimakonferenzen wie ein „Stinktier auf der Gartenparty“, wie Umweltschützer seufzten. Erst unter Obama wurden die USA wieder zu einer treibenden Kraft im Klimaschutz, die zusammen mit China das Pariser Abkommen vorantrieben.
Damit ist es wohl vorbei. Denn Trumps Attacken auf China werden die Klima-Allianz Washington-Peking schnell beerdigen. Die USA sind als zweitgrößter CO2-Verschmutzer im Prozess nicht zu ersetzen. Aber vielleicht gibt es jetzt neue Koalitionen. Die Aufgabe für alle Verhandler wird jedenfalls sein: Die Stimmung hoch halten, anderswo Fortschritte machen, nach guten Beispielen suchen. Da wären der deutsche Klimaschutzplan und auch eine deutsche Vorreiterrolle schon sehr hilfreich.
Aber selbst mit einem Präsidenten Trump und einem republikanisch (und damit klimaskeptisch) dominierten Kongress ist nicht sofort alles auf Null gesetzt. 70 Prozent der US-Bürger fordern laut Umfragen mehr Klimaschutz. Umweltgruppen und liberale Bundesstaaten werden vor Gerichten kämpfen und die Basis mobilisieren. Die Rationalität des Kapitalismus wird auch Milliardär Trump nicht außer Kraft setzen: Billiges gefracktes Öl und Gas werden in den USA weiter Emissionen drücken. Erneuerbare werden in Texas gebaut werden, weil sie billiger sind. Niemand wird sein Geld in unrentablen Kohlegruben in West Virginia versenken. Und der Klimawandel macht nicht halt vor Amerikas Küsten, nur weil die Administration sich und ihrer Bevölkerung die Augen zuhält. Allein 2016 verursachten Unwetter dort Schäden von 280 Milliarden Dollar.
Gedöns für Gutmenschen
Auch international ist die Lage anders als im Jahr 2000. Die entscheidenden Schlachten der Energiepolitik werden in China, Indien und anderen Schwellenländern geschlagen. Hier wird Obamas Werben um grüneres Wachstum schmerzlich fehlen. Aber der Preis für Solaranlagen und Windkraft fällt weiter. Und die Opec hat gerade erst erklärt, die Welt werde wahrscheinlich deutlich weniger Öl verbrennen als geplant. Das könnte auf eine Trendumkehr hindeuten.
Alle diese Fakten werden Trump kaum in seiner Wahnvorstellung stören, das Klimathema sei Gedöns für Gutmenschen. Und auch in Europa werden die Ewiggestrigen wieder Auftrieb bekommen. Die Polemiken aus Industrie und Gewerkschaften gegen den „Klimaschutzplan 2050“ waren gespickt mit falschen Argumenten.
Die Klimadebatte verliert damit zumindest in den USA wieder einmal die Fakten und die Regeln des diskursiven Anstands aus den Augen. Klimadiplomaten erinnern sich auch an die häufig gestellte Frage auf den Konferenzen der Vor-Obama-Zeit: „Was machen wir mit den USA?“ Eine gute Antwort darauf wird jetzt wieder gesucht.
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