: Dialog unter Aufsicht des Heiligen Stuhls
Venezuela Die Opposition ruft zu Großkundgebungen. Der Vatikan will in der schweren Krise vermitteln
An diesem Dialog unter Aufsicht des Papstgesandten Emil Paul Tscherring sollen Vertreter der Regierung und der Opposition teilnehmen. Ein erstes Treffen ist für den 30. Oktober anberaumt. Ebenfalls am Montag hatte sich Präsident Nicolás Maduro in Rom mit Papst Franziskus getroffen.
Unterdessen standen in Venezuela selbst die Zeichen eher auf Sturm. Am vergangenen Donnerstag hatte der Oberste Wahlrat die für diese Woche geplante Unterschriftensammlung zur Einleitung der zweiten Phase eines von der Opposition initiierten Abwahlreferendums gegen Maduro ausgesetzt. Grund: angebliche Unregelmäßigkeiten bei der ersten Runde der Unterschriftensammlung.
Mit der Entscheidung ist der Opposition die in der Verfassung geregelte Möglichkeit genommen, auf demokratischem Wege eine Abwahl des Präsidenten zu organisieren, dessen Amtsaufgabe laut Umfragen 70 bis 80 Prozent der Bevölkerung befürworten.
Entsprechend aufgebracht reagierten Regierungsgegner. Seit den Wahlen vor einem Jahr hält die Opposition die Mehrheit im Parlament. Bei ihrer Sitzung am Sonntag verabschiedeten die Abgeordneten ein Dokument, das in neun Punkten dem Präsidenten die Verletzung der verfassungsgemäßen Ordnung vorwirft und Maßnahmen zu deren Wiederherstellung beinhaltet. Doch Parlamentsbeschlüsse sind in Venezuela nichts mehr wert, seit der in Regierungshand befindliche Oberste Gerichtshof alle Entscheidungen pauschal für verfassungswidrig erklärt. Am Sonntag wurde die Sitzung darüber hinaus von einer Gruppe von rund 100 Proregierungsdemonstranten gestürmt, die sich Parolen skandierend und Fahnen schwenkend im Plenarsaal breitmachten.
Von der Ankündigung des Dialoges erfuhren einige Oppositionsführer erst aus dem Fernsehen, kommentierten sie zunächst auf Twitter. Gleichwohl veröffentlichte das Oppositionsbündnis Mud eine Erklärung und begrüßte das Engagement des Heiligen Stuhls – ohne sich aber von seinen Forderungen und seiner eigenen Agenda abbringen zu lassen.
Am Dienstag wollte die Opposition in einer weiteren Parlamentssitzung über die Umsetzung der am Sonntag gefassten Beschlüsse debattieren. Und für den Mittwoch hat die Opposition unter dem Motto „Toma de Venezuela“ (Übernahme Venezuelas) zu landesweiten Protestkundgebungen aufgerufen.
Seit Langem tobt in der Opposition ein Streit zwischen jenen, die auf demokratischem Wege eine Ablösung der Regierung erreichen wollen, und jenen, die auf die Kraft der Straße setzen, gegebenenfalls auch auf Gewalt. Mit der Entscheidung, das Referendum auszusetzen, hat die Regierung den einen Weg versperrt. Bernd Pickert
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