Schutz vor der „Landesverrats“-Keule

PRESSEFREIHEIT Die Grünen wollen das Strafrecht und die Strafprozessordnung ändern

Solidaritätsdemo für netzpolitik.org 2015 in Berlin Foto: Stefan Boness/Ipon

KARLSRUHE taz | Die Grünen wollen den Schutz von Journalisten vor Strafverfolgung verbessern. Rund ein Jahr nachdem die Bundesanwaltschaft zeitweise gegen die Blogger Markus Beckedahl und Andre Meister (netzpolitik.org) wegen Landesverrata ermittelte, haben die Grünen einen umfassenden Antrag in den Bundestag eingebracht.

Natürlich geht es dabei auch um die Strafvorschriften zum Landesverrat. So soll der Begriff des „Staatsgeheimnisses“ präzisiert werden. Nur Dokumente, die offiziell als „geheim“ eingestuft sind, sollen Staatsgeheimnisse sein können. Bei den Dokumenten, die netzpolitik.org veröffentlichte (es ging um eine neue Abteilung im Verfassungsschutz zur Auswertung von Onlinekommunikation), war dies teilweise nicht der Fall.

Keine Staatsgeheimnisse, so die Grünen, seien Informationen, bei denen das Interesse an der Veröffentlichung das Interesse der Geheimhaltung überwiegt.

Die Regelbeispiele der ­Grünen machen aber deutlich, dass die Hürde vor der Ausnahmeregelung sehr hoch liegt. So sollen Informationen über schwere Straftaten, Grundrechtsverletzungen oder den Bruch von Rüstungskontrollverträgen künftig kein Staatsgeheimnis mehr sein. Von dieser Ausnahmeklausel hätten die netzpolitik-Blogger nicht unbedingt profitieren können.

Daneben soll in einer Generalklausel (§ 31a Strafgesetzbuch) festgeschrieben werden, dass sich Journalisten, die geheime Informationen entgegennehmen, auswerten und veröffentlichen, nie wegen Beihilfe und Anstiftung zu anderen Taten strafbar machen. Das soll auch bei Landesverrat gelten. Allerdings wurde gegen Beckedahl und Meister nicht nur wegen Teilnahme an Landesverrat, sondern als Haupttäter ermittelt.

Die Grünen haben den Fall Netzpolitik zum Anlass genommen, zahlreiche weitere Verbesserungen für Journalisten zu fordern. So sollen Ermittlungen bei Journalisten (die nicht selbst verdächtigt werden) künftig dann unzulässig sein, wenn die Polizei dabei auf Informationen stoßen könnte, die vom Zeugnisverweigerungsrecht geschützt sind. Journalisten sollen so mit Geistlichen, Abgeordneten und Strafverteidigern gleichgestellt werden.

Wer wörtlich aus Ermittlungsakten zitiert, soll sich nicht mehr strafbar machen. Relevant ist das für den Prozess gegen den Regisseur Daniel Harrich, dem die Staatsanwaltschaft Stuttgart nach einem Dokumentarfilm über die Rüstungsschmiede Heckler & Koch die „wörtliche Wiedergabe“ amtlicher Schriftstücke eines Strafverfahrens (§ 353d Nr. 3 StGB) vorwarf.

Außerdem soll klargestellt werden, dass „journalistische Gelegenheitsblogger“ genauso gut geschützt werden wie hauptberufliche Journalisten.

Es soll auch eine strafrechtliche Schutzklausel für Whistleblower geben

Zudem soll es auch eine strafrechtliche Schutzklausel für Whistleblower geben. Wer Dienstgeheimnisse veröffentlicht, soll nicht bestraft werden können, wenn dabei eine schwere Straftat oder Grundrechtsverletzungen verhindert werden oder wenn eine Gefahr für Leib, Leben, Umwelt oder die „Stabilität des Finanzsystems“ bestand, fordern die Grünen.

Christian Rath