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Stefan Alberti wundert sich, was die Grünen unter einer neuen politischen Kultur verstehenErst abstimmen lassen, dann reden

Hat gut lachen: Parteichefin Jarasch Foto: F.: dpa

Es vergeht gegenwärtig kaum ein Tag, an dem die Grünen nicht von einer notwendigen neuen politischen Kultur sprechen, im Senat und in der Stadt. Die soll für Vertrauen stehen, für Transparenz und Verlässlichkeit.

Diese neue politische Kultur muss als Begründung dafür herhalten, warum die Grünen am Mittwochabend bei einem Parteitreffen nur intern über Wahlausgang und Inhalt der Sondierungsgespräche für eine rot-rot-grüne Koalition diskutieren. Das sei man, so Landeschef Daniel Wesener, den mutmaßlichen künftigen Koalitionspartnern SPD und Linkspartei schuldig.

Die Journalisten müssen also raus aus dem Saal im Tagungszentrum Jerusalemkirche. Drinnen sitzen dann noch gut 150 Parteimitglieder zusammen, die natürlich nichts davon weitererzählen, was sie im Folgenden unter Tagesordnungspunkt 3 aus den Sondierungsgesprächen hören. Ein ganz überschaubarer Kreis also, aus dem nichts durchsickert – das ist man SPD und Linkspartei ja schuldig.

Das Lustige ist, dass die offiziellen Delegierten und Stimmberechtigten unter den Teilnehmern – die 44 Mitglieder des Grünen-Landesausschusses – zu diesem Zeitpunkt unter Tagesordnungspunkt 2 schon dafür gestimmt haben, dass die Partei in Koalitionsgespräche einsteigt. Und zwar einstimmig.

Die Gespräche sollen bereits am kommenden Morgen im Roten Rathaus beginnen (siehe Text rechts). Was, wenn nun unter „Bericht Sondierungsgespräche“ berichtet worden wäre, dass man auf Radwegebau verzichtet und – natürlich schweren Herzens – der Verlängerung der A 100 zustimmte?

Nun könnte man sagen: alles halb so wild. Ob es tatsächlich eine Koalition gibt, entscheidet letztlich ein großer Parteitag mit 130 Delegierten, nachdem der Koalitionsvertrag fertig ist. Dann stellt sich aber die Frage, warum es an diesem Abend überhaupt grünes Licht für Verhandlungen braucht?!

Egal. Die Grünen, die am 18. September mit 15,2 Prozent mehr als zwei Prozentpunkte unter ihrem Wahlergebnis von 2011 geblieben waren und deshalb in der Dreierkoalition nur drittstärkste Kraft sind, zeigten, dass ihr Selbstbewusstsein ungebrochen ist. Die Versuchung sei groß bei SPD und Linkspartei, in bekannte Muster aus fast zehn Jahren rot-roten Regierens zurückzufallen, sagte Ko-Landeschefin Bettina Jarasch. „Nur unser Beitrag zum Ganzen wird einen wirklichen Neustart ermöglichen.“

Alles noch nicht so spannend. Ganz anders als das, was der im Mai vom langjährigen Abgeordneten zum Grünen-Stadtrat in Charlottenburg-Wilmersdorf beförderte Oliver Schruof­feneger am Rande bestätigte: Fifty-fifty stehen die Chancen, dass die Grünen in seinem Bezirk mit Unterstützung der CDU und der FDP den Bürgermeisterposten besetzen – obwohl sie nur drittstärkste Kraft im Bezirksparlament sind.

Nun müssen noch die örtlichen Grünen entscheiden, ob sie das Unterstützungsangebot der CDU auch annehmen wollen. Letztere könnte auf diesem Weg, wenn sie schon selbst das Spitzenamt nicht übernehmen kann, immerhin den bisherigen SPD-Bürgermeister absägen.

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