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Wenn die Arbeit überall ist

ZUKUNFT Das Filmfest Futurale beschäftigt sich mit digitalen Nomaden und anderen modernen Formen der Arbeit. Laut einer Studie heizt Weiterbildung für die Hälfte der Arbeitnehmer den Konkurrenzkampf an

von Joachim Göres

Nach langen Reisen um die Welt kommt Conni nach Berlin zurück und nimmt den Job bei einer Werbeagentur an. Nach zwei Monaten ist ihr klar, dass das nicht hinhaut, mit nur 22 Urlaubstagen im Jahr. „Jeden Tag zur selben Zeit aufstehen und nach Hause gehen, da hab ich mich eingesperrt gefühlt“, sagt sie im Film. Als sie dann das erste Mal etwas von „digitalen Nomaden“ hört, die sich selbstständig machen und Dienstleistungen wie das Schreiben von Texten für Online-Fortbildungsmedien anbieten, ist sie begeistert: „Das entspricht meiner Lebensphilosophie. Von überall arbeiten zu können, überall leben zu können.“

Menschen wie Conni hat der Filmemacher Tim Jonischkat in „Digitale Nomaden – Deutschland zieht aus“ porträtiert. Die an ihrem Notebook sitzen und Aufträge über das Internet bekommen und ausführen.

Wie wollen wir in Zukunft arbeiten? Die Frage steht im Mittelpunkt von sieben Dokumentarfilmen des Filmfestivals „Futurale“, welches das Bundesminsiterium für Arbeit und Soziales (BMAS) organisiert. Zu sehen war die Filmreihe bereits in Hannover, im September und Oktober kommt das Festival nun nach Bremen und Braunschweig.

In „Silicon Wadi“ zum Beispiel geht es um vier Unternehmensgründer aus Tel Aviv. Die Filmemacher Daniel Sivan und Yossi Bloch verfolgen über zwei Jahre junge Software-Experten, die von ihrer Entwicklung – unter anderem eine Spiele-App – so überzeugt sind, dass sie sich auf die Suche nach Kapitalgebern machen, die sechsstellige Summen investieren. Am Ende kommt alles anders, doch fast alle sind zufrieden, dass sie das Risiko wagten.

Schöne neue Arbeitswelt also? Im Gegenteil – die Filme zeigen meist auch die andere Seite. Nicht zufällig sind es junge Leute, die ohne Kinder und in wechselnden Beziehungen als digitaler Nomade leben. In „Silicon Wadi“ haben die Protagonisten zwar feste Partner und manchmal auch Kinder, aber sie sind trotz Studiums mit Mitte 30 finanziell noch von ihren Eltern abhängig. Und sie haben alle nur ihr Projekt im Kopf, das alle Gespräche dominiert und Beziehungen zerstört. Die Filme zeigen Modelle für eine gut ausgebildete Minderheit, die sich meist selbstständig machen möchte. Welche Veränderungen auf Arbeitnehmer in der Industrie, in Handwerk oder Dienstleistung zukommen, wird nur selten thematisiert.

Das Arbeitsministerium hat parallel zum Filmfestival eine Studie veröffentlicht, die 1.200 Deutsche zu ihren Vorstellungen von der Arbeit der Zukunft befragt. Die Ergebnisse zeigen, dass die Mehrheit die in den Filmen gezeigte Zukunft fürchtet. Es wurden sieben unterschiedliche Grundeinstellungen festgestellt. Mit Abstand die meisten Befragten werden der Gruppe „Sorgenfrei von der Arbeit leben können“ zugeordnet: Für 30 Prozent ist Verlässlichkeit wichtig, sie sind an einer geregelten Arbeits- und Freizeit interessiert. In dieser Gruppe liegt das Gehalt häufig zwischen 1.100 und 1.700 Euro, es finden sich hier viele Gewerkschaftsmitglieder.

Zusammen mit der Gruppe „Sinn außerhalb seiner Arbeit suchen“ (13 Prozent) ist sie der Überzeugung, dass die heutige Arbeitsbelastung schon zu hoch ist und es künftig noch schlimmer werden dürfte. Auch die Gruppe „Mit Schutz der Solidargemeinschaft arbeiten“ (9 Prozent) beklagt wachsenden Arbeitsdruck – hier befinden sich viele Menschen über 60 Jahren.

Die Filme zeigen Modelle für eine gut ausgebildete Minderheit, die sich selbstständig machen möchte. Welche Veränderungen auf Arbeiter in Industrie und Handwerk zukommen, wird wenig thematisiert

Von einer härter gewordenen Arbeitswelt spricht auch die Gruppe „Den Wohlstand hart erarbeiten“ (15 Prozent), die aber die Chance sieht, dass jeder es zu etwas bringen kann, der sich anstrengt. Kritik an der beruflichen Gegenwart, Hoffnung auf die Zukunft – diese Einstellung prägt die Gruppe „Balance zwischen Arbeit und Leben“ (14 Prozent), zu der auffallend viele Hochschulabsolventen gehören. Sie setzt darauf, dass mobile Arbeit künftig Beruf und Privatleben besser unter einen Hut bringen kann. Vorbehaltlos positiv schaut nur die Gruppe „Engagiert Höchstleistungen erzielen“ (11 Prozent) in die Zukunft. In dieser Gruppe verdienen viele Menschen monatlich mehr als 4.000 Euro und arbeiten noch keine fünf Jahre.

Sie ist überzeugt, dass die Digitalisierung ständige Weiterbildung verlangt und freut sich über permanente Veränderungen. Auch in den Gruppen „Sich in der Arbeit selbst verwirklichen“ (10 Prozent), „Den Wohlstand hart erarbeiten“ und „Balance zwischen Arbeit und Leben“ gilt Weiterbildung als selbstverständlich, um für den Arbeitgeber attraktiv zu bleiben. Vorbehalte und Ängste dominieren dagegen in den drei ersten Gruppen, die sich als Verlierer der Veränderungen sehen. Sie fürchten, dass sie Anforderungen nicht genügen, und sind überzeugt, dass Weiterbildung den Konkurrenzkampf anheizt.

Spannend ist die Futurale auch dadurch, dass diese Einstellungen nach den Filmen in der Diskussion mit Experten aufeinanderstoßen können.

15.–21. 9., City 46, Bremen; 13.–19. 10., Universum, Braunschweig, Eintritt frei. Infos: www.arbeitenviernull.de

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