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Scheinbewerbung als Rechtsmissbrauch

EUGH Nur wer sich ernsthaft auf eine Stelle bewirbt, darf sich auf Antidiskriminierungsrecht berufen

FREIBURG taz | Wer sich nur zum Schein auf eine Stelle bewirbt, kann hinterher keinen Schadenersatz wegen vermeintlicher Diskriminierung verlangen. Das entschied jetzt der Europäische Gerichtshof (EuGH) in einem Grundsatzurteil.

Der Fall kam aus Deutschland. Der Münchener Rechtsanwalt Nils Kratzer hatte sich 2009 bei der R+V-Versicherung um eine Trainee-Stelle beworben. Die Versicherung hatte zwar gefordert, dass der Hochschulabschluss der Trainee-Bewerber nicht länger als ein Jahr zurückliegen dürfe, doch der damals schon 38-jährige Kratzer bewarb sich trotzdem. Als er nicht zum Bewerbungsgespräch eingeladen wurde, verlangte er 14.000 Euro wegen Altersdiskriminierung. Als Kratzer erfuhr, dass auf die vier Stellen nur Frauen eingestellt wurden, verlangte er weitere 3.500 Euro Entschädigung. Er sei wegen seines Geschlechts diskriminiert worden.

Der Prozess ging durch die Instanzen. Das Bundesarbeitsgericht ging davon aus, dass Kratzer sich nur zum Schein auf die Stelle beworben hatte, um dann Fehler in der Ausschreibung monieren zu können. Es fragte deshalb im Juni 2015 den EuGH, ob die EU-Antidiskriminierungsrichtlinie erlaube, eine „Scheinbewerbung“ als „rechtsmissbräuchlich“ zu behandeln.

Dies hat der EuGH nun bejaht. Wenn eine Person die Stelle, auf die sie sich bewirbt, „offensichtlich“ gar nicht erhalten will, dann könne sie sich auch nicht auf Antidiskriminierungsrecht berufen. Damit haben deutsche Gerichte nun Rechtssicherheit, wenn sie Klagen von sogenannten AGG-Hoppern ablehnen. So bezeichnet man Personen, die fast berufsmäßig Entschädigungsklagen nach dem Allgemeinen Gleichstellungsgesetz (AGG) erheben.

Nils Kratzer hat aber nicht nur mit dem jetzigen EuGH-Urteil Rechtsgeschichte geschrieben. Er ist auch der erste AGG-Hopper gegen den (gemeinsam mit einem Angehörigen) eine strafrechtliche Anklage wegen Betrugs erhoben wurde. Das Oberlandesgericht München hat die Anklage vor wenigen Wochen teilweise zugelassen. Laut Handelsblatt geht es vor Gericht dann um 23 Fälle vollendeten Betrugs und zwölf Betrugsversuche. Christian Rath

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