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Machtkampf um Markus Meckel

Erinnerungspolitik Beim Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge fliegen die Fetzen. Präsident Markus Meckel will eine Erneuerung erzwingen. Nun wackelt sein Stuhl

Aus Berlin Philipp Gessler

Machtkampf im Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge: Einiges spricht dafür, dass Volksbund-Präsident Markus Meckel ihn bald verlieren wird. Es geht um Geld, um Persönliches und um die Ausrichtung des eingetragenen Vereins, der immer noch über 100.000 Mitglieder hat und über einen Etat von jährlich über 41 Millionen Euro verfügt – ein Drittel davon sind Steuergelder.

Der Volksbund kümmert sich seit Jahrzehnten im Auftrag der Bundesregierung um die Pflege von über 830 Soldatenfried­höfen in ganz Europa. Außerdem hat er sich der Versöhnungsarbeit verschrieben. So gibt es zum Beispiele Programme, bei denen junge Leute aus einst verfeindeten Staaten gemeinsam die Gräber Gefallener pflegen.

Seit Oktober 2013 ist der letzte frei gewählte DDR-Außenminister und Bürgerrechtler Markus Meckel an der Spitze des Volksbundes. Er hat dem Verband, in dem lange Zeit viele ehemalige Nazis aktiv waren, einen Reformkurs verschrieben. Die Tendenz: mehr Versöhnungsarbeit, weniger Grabpflege. Dazu gehört auch ein neues Leitbild, in dem es unter anderem heißt: „Wir erkennen und benennen den Zweiten Weltkrieg als Angriffs- und rassistisch motivierten Vernichtungskrieg.“ Das ist hart zu schlucken für die Angehörigen der deutschen Gefallenen, dass ihr Mann, Vater, Onkel oder Großvater für eine verbrecherische Sache sinnlos gestorben ist.

Trotz heftigen Widerstands innerhalb des Verbandes wurde das neue Leitbild Ende Juni zwar verabschiedet. Aber Meckel wollte auch mehr investieren in die Zukunft, etwa in eine multimediale Aufarbeitung von ausgesuchten Friedhöfen wie dem flandrischen Langemark. Nur so seien neue Spender zu gewinnen. Spenden machen beim Volksbund noch etwa zwei Drittel des Etats aus. Das Problem ist: Die wichtigste Spendergruppe, also die Witwen der Gefallenen und deren Kinder, sterben weg. Dem Volksbund droht in den kommenden Jahren ein massiver Einnahmeeinbruch.

Meckels Gegner im Verband misstrauen diesem Kurs. Er ist nur zu halten, wenn bald die öffentliche Hand einspringt und die absehbaren Einnahmeausfälle ausgleicht. Die Meckel-Kontrahenten sehen weiterhin die Kernaufgabe des Verbandes in der Pflege der Soldatengräber.

„Die Gefahr einer Abwahl ist schon real“

Markus Meckel

Hinzu kommt ein persönlicher Konflikt: Meckel kann nicht mit der neuen Generalsekretärin des Volksbundes, Daniela Schily, die erst seit knapp einem Jahr amtiert. Die Meckel-Leute meinen, Daniela Schily, eine Nichte Otto Schilys, wolle Meckel de facto so entmachten, dass er nur noch ein Grußonkel sei. Außerdem werde diese Personalie benutzt, um die ganze Reform zu torpedieren.

Anders sehen dies die Meckel-Gegner: Der ehemalige SPD-Politiker sei eben einfach unfähig zur Teamarbeit und führe undemokratisch. Die Meckel-Gegenspieler, an vorderster Front der hessische und baden-württembergische Landesverband, haben mit Hilfe des Präsidiums eine Haushaltssperre verabschiedet, die Meckel zufolge verhindert, dass er die Investitio­nen anstößt, die er für die Zukunft für notwendig hält.

Meckel betonte am Montag, er „klebe nicht“ an seiner Funktion. Wenn es jedoch nicht zu neuen Institutionen komme, etwa einer besseren Ausstattung der Kriegsgräber als Lernstätten auch für künftige Generationen, werde der Reformprozess „schwer beschädigt“. Ende September soll es beim vorgezogenen Bundesvertretertag in Göttingen zum Showdown kommen. Der Tagesordnungspunkt 1 lautet: Abwahl des Präsidenten. Die Gefahr einer Abwahl, so Meckel, „ist schon real“.

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