Kai Schlieter über Privatisierungspläne für den Autobahnbau: Demokratie als Schmierenstück
Seit zwei Jahren bastelt die Bundesregierung an einer Superbehörde, die Autobahnen zentral bauen, unterhalten und finanzieren soll. Die Regierung behauptet, so das föderale Wirrwarr entzerren zu wollen. Bisher verwalten Bund und Länder die Straßen gemeinsam – ein nicht immer effizienter Prozess. Doch so will es das Grundgesetz. Die föderale Aufgabenteilung dient unter anderem dazu, lokale Expertise zu nutzen und Bürgerinnen und Bürger einzubeziehen, die dort leben, wo die Autobahnen gebaut werden sollen.
Lästige Abstimmungsprozesse, wo doch im Asphalt Milliarden schlummern? Für die Regierung scheint die Abwägung nicht schwer: Investoren beteiligen, schnell marode Infrastruktur sanieren und neue Straßen bauen – einfach machen! Mit den Plänen zu ihrer Behörde geht es der Großen Koalition in Berlin nicht darum, organisatorische Defizite zu beheben. Existierende Vorschläge dazu wurden ignoriert. Mehr noch: Trotz der einstimmigen 16:0-Entscheidung der Landesverkehrsminister arbeitet die Regierung unbeirrt weiter an der Zentralisierung.
Skandalös, wie sie Parlamente austrickst, um eine Änderung im Grundgesetz, namentlich die Aufweichung der durch die Föderalismusreform verankerten Schuldenbremse, zu erreichen. Dies alles, um Einfallstore für Investoren zu öffnen. Die Regierung behandelt das Eigentum des Souveräns – unser Gemeinwesen – wie ihre Privatangelegenheit.
Wessen Interessen werden hier vertreten? Die von Allianz, Deutscher Bank und der Kanzleien und Beraterfirmen, die seit zwei Jahren für die Bundesfernstraßengesellschaft lobbyieren. Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel hatte noch vor dem Brexit gesagt, ein „Weiter so“ in Europa dürfe es nicht geben. Politiker, die von Veränderungen reden, aber insgeheim „weiter so“ handeln wie bisher, paktieren mit Populisten. Sie verschaffen ihnen Wählerstimmen, indem sie Demokratie als Schmierenstück diskreditieren.
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