Eine Schonfrist für Glyphosat

Agrar Zulassung des Pflanzengifts soll laut EU-Kommission um bis zu 18 Monate verlängert werden. Die Frage ist, ob Deutschland zustimmt – oder weiter herumeiert

Hier soll noch weiter Glyphosat gesprüht werden dürfen Foto: Klaus-Dietmar Gabbert/ dpa

Von Eric Bonse

BERLIN taz | Der Streit über das Pflanzenschutzmittel Glyphosat ist völlig festgefahren. Unter den 28 EU-Staaten zeichnet sich keine Mehrheit für eine Neuzulassung ab, Umweltschützer und die SPD laufen Sturm gegen das möglicherweise krebserregende Produkt. Doch nun hat die EU-Kommission einen „Weg nach vorn“ vorgeschlagen: Statt wie zunächst geplant um 7 Jahre soll die Glyphosat-Zulassung nur um 12 bis 18 Monate verlängert werden. Dies sagte der EU-Kommissar für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit Vytenis Andriukaitis in Brüssel.

Seine Begründung war konfus und ging in genuscheltem Englisch unter. Andriukaitis sprach von Transparenz und der Notwendigkeit, noch ein wissenschaftliches Gutachten einzuholen. Das soll die EU-Agentur für Chemieprodukte (ECHA) erarbeiten, um den Krebsverdacht zu prüfen – und möglichst auszuräumen. Eine entsprechende Empfehlung werde er dem zuständigen Ausschuss am Montag vorlegen, sagte Andriukaitis. Hier sind alle 28 EU-Staaten vertreten. Sollten sie sich nicht zu der befristeten Verlängerung durchringen, kann auch noch ein Berufsinstanz angerufen werden. Dann kann die Kommission die Zulassung auch im Alleingang anordnen.

Unklar ist, ob die Mitgliedstaaten in diesem Fall ein „Opt-out“ wählen, also Glyphosat vorläufig verbieten könnten. Diese Möglichkeit gibt es bereits beim Anbau von Genpflanzen. Andriukaitis wich Fragen zu einer Ausstiegsklausel jedoch aus: Eine Genehmigung auf EU-Ebene verpflichte die Mitgliedsstaaten nicht, das Mittel auch tatsächlich einzusetzen. Außerdem empfahl er, die Nutzung des Unkrautvernichtungsmittels in Parks und auf Spielplätzen sowie kurz vor der Ernte einzuschränken.

Ob das reicht, um den Widerstand gegen Glyphosat zu brechen, ist jedoch völlig offen. „Richtig wäre gewesen, das wahrscheinlich krebserregende Pflanzenschutzmittel sofort zu verbieten“, sagte der Agrarexperte der Grünen im Europaparlament, Martin Häusling.

„Nur ein Tropfen auf den heißen Stein“

Heike Moldenhauer, BUND-Pestizidexpertin

„Die Angebote der Kommission sind nur ein Tropfen auf den heißen Stein“, kritisierte die BUND-Pestizidexpertin Heike Moldenhauer. „Damit wäre Glyphosat weiter auf dem Markt.“ Bevölkerung und Umwelt wären der Risiko-Chemikalie auch künftig in großem Umfang ausgesetzt. Die Mitgliedstaaten dürfen sich keinesfalls auf diesen faulen Kompromiss einlassen.

Doch ausgerechnet die deutsche Bundesregierung könnte nun einlenken. Bisher hat sich Berlin in Brüssel enthalten, da die SPD-geführten Ministerien gegen, das CSU-geführte Bundeslandwirtschaftsministerium sowie Kanzlerin Angel Merkel (CDU) jedoch für die Neuzulassung von Glyphosat eintreten.

Ein Sprecher des Umweltministeriums erklärte in Berlin, grundsätzlich würden die SPD-Ministerien auch keiner befristeten Verlängerung zustimmen, solange die Unbedenklichkeit von Glyphosat nicht erwiesen sei. Zudem verwies er auf die Forderung von Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD), die Zulassung in jedem Fall an Auflagen zu knüpfen, die unter anderem den Artenschutz berücksichtigen. Innenminister Thomas de Maizière (CDU) sagte jedoch im Bundestag, es sei nicht ungewöhnlich, dass eine gemeinsame Position erst in letzter Minute gefunden werde. „Heute ist Mittwoch, und bis Montag ist noch viel Zeit.“