: Meinungsfreiheit versus Polizistenbeleidigung
Prozess Beobachter mischt sich in Polizeikontrolle ein, als ein Schwarzer in Bedrängnis gerät
Angeklagter Jonas B.
Ist Solidarität strafbar? „Zeuge rassistischer Polizeikontrolle wegen Beleidigung vor Gericht“, hatte die Kampagne für Opfer rassistischer Polizeigewalt (KOP) getitelt und zur Prozessbeobachtung aufgerufen. Angeklagt ist Jonas B., der im Herbst 2014 Zeuge einer Polizeimaßnahme im Görlitzer Park wurde. Der Prozess fand am gestrigen Mittwoch statt.
Bei einem Spaziergang beobachtet Jonas B., wie Polizisten einen schwarzen Mann fixieren, der unter Schmerzen schreit. Die Polizisten seien mit großer Brutalität vorgegangen, berichtet Jonas B.. Er spricht die Beamten an und fragt nach dem Grund der Polizeikontrolle des Mannes – Verdacht auf Fahrraddiebstahl, lautet die Antwort. Daraufhin kommt es zwischen Jonas B. und zwei Polizisten zu einer Diskussion über die allgemeinen Polizeikontrollen gegen Schwarze im Görlitzer Park.
„Schläger in Uniform“
Anschließend wird Jonas B. wegen Beleidigung von einem Polizeibeamten angezeigt. Er soll ihn als „Schläger in Uniform“ bezeichnet haben. Juristisch gesehen ist das eindeutig eine Beleidigung.
„Ich erlebe hier im Görlitzer Park öfter Polizeieinsätze, bei denen sich Beamte wie Schläger in Uniformen verhalten“, wiederholt Jonas B. vor dem Amtsgericht Tiergarten während des Prozesses. „Meine Kritik richtete sich jedoch gegen die Polizeiarbeit allgemein – nicht gegen einzelne Beamte“, so Jonas B.
Der Polizist widerspricht dieser Aussage, er habe sich konkret und persönlich beleidigt gefühlt, gibt er vor Gericht zu Protokoll. Dieser Unterschied ist für den Prozessablauf von Bedeutung.
Allgemeine Beleidigungen von Polizisten können laut Bundesverfassungsgericht zulässig sein. Abfällige Äußerungen über größere Personengruppen sind nicht strafbar. Sie fallen vielmehr unter die Meinungsfreiheit, entschieden Verfassungsrichter im April 2015 in einem ähnlichen Fall.
Das Amtsgericht Tiergarten entschied jedoch, dass Jonas B. einen Polizisten konkret beleidigte. Zwei Zeugen, die als Polizisten im Görlitzer Park im Einsatz waren, unterstützen diese Ansicht. Das Verfahren wurde eingestellt. Der Angeklagte Jonas B. soll 90 Sozialstunden ableisten.
Jonas B. ist – auch wenn er sich nach wie vor für unschuldig hält – mit dem Prozessverlauf zufrieden. „Es ist wichtig, dass sich Leute auf eine ruhige Art und Weise einmischen“, kommentiert er den Prozess. Er habe viele Freunde, die sich aufgrund ihrer Hautfarbe polizeilichen Maßnahmen ausgesetzt fühlen und sich nicht mehr in den Görlitzer Park trauen.
Gegen das „racial profiling“, wie Jonas B. sagt – also die systematischen Polizeikontrollen von zum Beispiel Schwarzen oder aufgrund von ethnischer Zugehörigkeit, Religion und nationaler Herkunft –, wollte er ein Zeichen setzen. Das hat er es getan. Sophie Schmalz
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen