: Fisch ab jetzt besser ohne Zeitung
Handel Mineralöl-Rückstände in Lebensmitteln wurden deutlich reduziert. Schwierig bleiben unbekannte Eintragswege
Von Kathrin Burger
Letzteres ist jedoch falsch. Denn das Bundesinstitut für Risikoforschung (BfR) hält aromatische Kohlenwasserstoffe für möglicherweise krebserregend und erbgutschädigend. Auch das Hormonsystem könnten diese Stoffe beeinflussen. Obendrein reichern sie sich in einigen menschlichen Organen stark an. Wie gefährlich die Substanzen tatsächlich sind, ist zwar bislang nicht endgültig geklärt. Die BfR-Experten empfehlen trotzdem, die Kohlenwasserstoffe namens MOSH und MOAH so weit wie möglich in Lebensmitteln zu reduzieren.
Das hat der Handel bereits zu einem Gutteil getan, die gefundenen Dosen an Mineralölen sind heute viel geringer als noch vor fünf Jahren. So wurden damals im Durchschnitt 5 bis 10 Milligramm Kohlenwasserstoffe pro Kilogramm Lebensmittel gemessen. Eine Analyse der Verbraucherorganisation Foodwatch zeigte im vergangenen Oktober, dass sich die Werte in Deutschland heute unter 5 Milligramm bewegen.
„Das liegt etwa daran, dass rund 50 Prozent der Lebensmittelhersteller vor drei Jahren auf Verpackungsmaterialien aus Frischfaser umgestellt haben“, erklärt Thomas Simat, Lebensmittelchemiker an der Universität Dresden. Denn: In Recyclingpapier steckt viel Zeitungspapier, das mit Farben auf Mineralölbasis bedruckt wird. Allerdings ist eine solche Umstellung aus Umweltschutzgründen nicht so toll. „In diesem Fall geht jedoch Verbraucher- vor Umweltschutz“, findet Luise Molling von Foodwatch.
Noch besser wäre, wenn die Zeitungshersteller auf mineralölfreie Druckfarben umsteigen würden. Solche Farben gibt es auf der Basis von Pflanzenölen; einige, wenngleich nicht viele Druckereien arbeiten bereits damit. Eine Druckfarbenverordnung, die derzeit beim Ernährungsministerium in Arbeit ist, könnte dieses Verfahren für alle Zeitungshersteller vorschreiben.
Andere Möglichkeit: Es könnten Reinigungsverfahren im Recyclingprozess zwischengeschaltet werden. Nachteil: „Das Verfahren ist extrem aufwendig und teuer“, so Molling. Aber immerhin finden mineralölhaltige Druckfarben auf Lebensmittelverpackungen kaum noch Verwendung. Einige Biohersteller gehen einen anderen Weg: Sie verzichten einfach ganz auf die Kartonage.
Ein weiteres Drittel der Unternehmen hat laut Simat die sogenannte Barriere-Lösung gewählt. Dabei wird das Lebensmittel wie etwa bei Frühstückscerealien in einem Innenbeutel mit einer zusätzlichen Barriereschicht verpackt. Oder der Verpackungskarton wird innen beschichtet wie etwa bei Semmelbröseln. Eine andere Variante ist eine aktivkohlehaltige Innenlage im Verpackungskarton, die die Schadstoffe bindet, sodass sie nicht ins Lebensmittel gelangen können. Jeder Hersteller muss für sein Produkt – je nachdem, ob trocken oder feucht, aromatisch oder neutral, lange haltbar oder in wenigen Tagen verderblich – herausfinden, welche Variante die beste ist.
Luise Mollingat
Weitere Reduzierungen bis hin zur „Nulltoleranz“, wie sie Aldi fordert, sind nicht so einfach. Vor allem, weil es immer noch unbekannte Eintragswege gibt. „So findet man etwa in Schokolade oder Olivenöl immer wieder hohe Rückstände, die nicht aus der Verbraucherverpackung stammen“, so Thomas Simat. Hier könnten Umkartons aus Wellpappe oder Jutesäcke beim Transport der Bohnen oder der Schokolade verantwortlich sein. Zudem können bei der Ernte, bei der Verarbeitung oder später beim Transport in Containern und der Lagerung die Lebensmittel mit Mineralöl belastet werden.
Darum wird wohl auch eine derzeit beim Ernährungsministerium geplante Mineralölverordnung nur bedingt zu weniger Kontaminationen führen. „Die hat sich eigentlich in dieser Form überholt, weil sie nur Grenzwerte für Recycling-Kartons vorsieht“, meint Simat. Auch Foodwatch fordert hier Nachbesserungen.
Vehement wehrt sich der Forscher jedoch gegen die immer wieder von der Industrie vorgebrachte Kritik, dass die Analytik nicht ausreichend etabliert und normiert sei, um entsprechende Grenzwerte zu kontrollieren. „Es gibt inzwischen einige Laboratorien – auch in Industrieunternehmen, die zuverlässige Werte für verschiedenste Lebensmittel erreichen“, so Simat. Er wünscht sich von den Lebensmittelherstellern eine konstruktive Mitarbeit an einer nationalen Verordnung. Schließlich ist Deutschland zusammen mit der Schweiz in Sachen Mineralöl-Minimierung Vorreiter in der EU. Und die EU-Kommission hat ein entsprechendes Regelwerk nicht auf der Agenda.
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