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CDU entdeckt Familienteile

Ehegattensplitting Eltern sollen mehr Geld bekommen. So will es die Hamburger CDU. Auf ihrem Landesparteitag berät sie über ein sogenanntes Familienteilsplitting

Wenn mehr Geld da ist, reicht es später vielleicht für ein Motorboot Foto: Thomas Raupach

Von Jean-Philipp Baeck undSimone Schmollack

HAMBURG/BERLIN taz | Mehr Geld für Familien und nicht mehr nur Steuervorteile für Ehepaare. Diese alte Forderung erhält nun Auftrieb – und zwar in der CDU. Die Hamburger Christdemokraten wollen einen Plan vorlegen: Ein Familienteilsplitting soll nach ihrer Vorstellung das Ehegattensplitting künftig ergänzen. Der Landesverband im Norden ist damit der erste innerhalb der CDU, der diese Form der Familienförderung forciert. Ein Landesparteitag will am Dienstag einen Leitantrag dazu beraten.

Familien sollen durch das Konzept finanziell bessergestellt werden. Teilsplitting nennen die Hamburger den Vorschlag deshalb, weil ausdrücklich nur von Ehepartnern die Rede ist und nicht von unverheirateten Eltern. Das wäre das klassische Familiensplitting, so wie es dies etwa in Frankreich gibt.

Der Streit um das Ehegattensplitting ist alt und ideologisch äußerst aufgeladen. Dabei werden Ehepaare gemeinsam steuerlich veranlagt. Ein Ehepaar mit einem Alleinverdiener und einem monatlichen Einkommen von rund 3.500 Euro kann so etwa 3.000 Euro Steuern im Jahr sparen. Der Staat subventioniert dieses Lebensmodell jährlich mit rund 20 Milliarden Euro.

Frauenverbände, aber auch PolitikerInnen von SPD und Grünen kritisieren das Modell seit Langem, weil es die klassische Einverdienerehe fördert und damit traditionelle Rollenbilder festigt. Kritisiert wird außerdem, dass beim Ehegattensplitting Kinder überhaupt keine Rolle spielen. Gefördert werden also Ehen und nicht Familien. CDU und CSU halten auf Bundesebene indes am Ehegattensplitting fest, auch weil von einer Streichung des Splittingvorteils Millionen von Haushalten betroffen wären.

„Es geht um diegesellschaftliche Realität“

Marcus Weinberg, CDU

Das Hamburger Modell wäre eine leichte Fortentwicklung. Das Familienteilsplitting sei „kein Frontalangriff auf die Ehe, sondern eine Modifizierung des heutigen Systems“, sagte Marcus Weinberg, familienpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, der taz. Der Staat müsse berücksichtigen, wenn Partner Verantwortung füreinander übernehmen, so Weinberg, der maßgebliche Autor des Papiers. Weinberg spricht von einer Anpassung an die „gesellschaftspolitische Realität“, die das Teilsplitting nun leisten solle. André Trepoll, Hamburger CDU-Fraktionschef, fügt hinzu: „Wir müssen Konsequenzen daraus ziehen, dass sich seit den 50er Jahren das Gesellschaftsmodell geändert hat.“

Die künftigen Steuervorteile nach Vorhaben der Hamburger CDU berechnen sich unter anderem so: Der bisherige Splittingfaktor von 1,0 für jeden Erwachsenen soll auf 0,8 gesenkt werden, Kinder sollen mit einem Faktor von 0,5 bedacht werden. Damit ergibt sich für eine dreiköpfige Familie ein Splittingfaktor von 2,1. Mit jedem weiteren Kind würde sich der Faktor um 0,5 erhöhen. Damit würden Familien mit Kindern mehr Geld in der Haushaltskasse haben als bisher. Zusätzlich zum Teilsplitting präferiert die Hamburger CDU einen höheren Kinderfreibetrag.

„Was wir vorschlagen, soll Kinder in Familien stärker entlasten“, sagt Weinberg. Alleinerziehende und Familien mit mehreren Kindern, deren Armutsrisiko vielfach höher ist als bei anderen Familien, sollen besser vor einem sozialen Aus bewahrt werden. Dass der Leitantrag auf dem Landesparteitag angenommen wird, gilt als wahrscheinlich. Für die Bundes-CDU hat das freilich noch keine direkten Folgen. Es zeigt allerdings an, wohin der familienpolitische Sprecher der CDU-Fraktion im Bundestag drängt: ein bisschen näher in die urbane Mitte, ein bisschen mehr in die Gegenwart.

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