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Istanbul in Angst

Türkei I Selbstmordanschlag auf israelische Touristengruppe in beliebter Flaniermeile am Wochenende. Fünf Menschen – einschließlich des Attentäters – sterben. Innenminister: Der Täter war ein türkischer IS-Anhänger

Istanbul: Nach dem Attentat auf der İstiklâl Caddesi riegeln türkische Polizisten die Umgebung ab Foto: Deniz Toprak/dpa

Aus Istanbul Jürgen Gottschlich

Istanbul am Tag danach ist eine Stadt im Ausnahmezustand. Wo sonst das Leben pulsiert, herrscht gespenstische Leere. Das gilt nicht nur für das Zentrum rund um den Attentatsort an der beliebten Einkaufstraße İstiklâl Caddesi, sondern für die ganze Stadt.

Wer nicht unbedingt hinaus muss, bleibt in diesen Tagen zu Hause. Nach dem zweiten schweren Attentat innerhalb einer Woche, bei dem fünf Menschen starben und 37 teils schwer verletzt wurden, legt sich eine schwere Depression über das Land.

Trotzdem haben sich einige Bürger am Sonntagmittag am Anschlagsort versammelt, um dort rote Nelken niederzulegen. „Wir sind hier, wir haben keine Angst“ steht auf einigen selbst gemalten Plakaten. „Ich bin erschüttert“, sagt ein älterer Mann, „die verantwortungslose Außenpolitik unserer Regierung hat uns in diese dunkle Zeit gebracht.“

Mittlerweile zeichnet sich ein Bild dessen ab, was Tags zuvor auf der bekanntesten Istanbuler Flaniermeile geschah. Laut der regierungsnahen Zeitung Karar, die sich auf Sicherheitskreise beruft, soll der Attentäter auf der İstiklâl Caddesi eine israelische Touristengruppe verfolgt haben. Am Attentatsort habe er sich zwischen die Besucher gestellt. Von den 14 Mitgliedern der Gruppe sind drei gestorben, die anderen elf wurden teils schwer verletzt. Zwei der drei Getöteten hatten auch die US-Staatsbürgerschaft. Die beiden anderen Toten sind ein Iraner und der Selbstmordattentäter.

Noch am Samstagabend kam der Generaldirektor des israelischen Außenamtes, Dore Gold, mit Ermittlungsspezialisten und Medizinern nach Istanbul.

Sonntagfrüh flog eine Sondermaschine die drei Leichen zusammen mit einigen der verletzten israelischen Staatsbürger nach Israel aus. Israels Premierminister Benjamin Netanjahu warnte anschließend seine Landsleute vor Reisen in die Türkei. Sie seien dort gegen islamistischen Terror nicht geschützt. Türkische Medien berichteten – Innenminister Efkan Âlâbestätigte dies am Sonntagmittag – dass es sich bei dem Attentäter um einen 24-jährigen türkischen Anhänger des „Islamischen Staates“ handelte. Sein Name: Mehmet Öztürk. Er stammt aus der südtürkischen Stadt Gaziantep. Bereits vor einigen Jahren war er spurlos verschwunden. Seine Eltern vermuteten, dass er sich dem IS in Syrien angeschlossen hatte und meldeten dies der Polizei. Seitdem steht er auf einer Liste gesuchter Personen. Seine Identität soll mittlerweile durch einen DNA-Abgleich mit seinem Vater bestätigt worden sein.

Vergangenen Donnerstag hatte die Bundesregierung von der Gefahr eines Terrorangriffs auf deutsche Einrichtungen in Istanbul gesprochen. Man habe sehr konkrete Hinweise erklärte Außenminister Frank-Walter Steinmeier. Er ließ die deutsche Schule und diplomatische Vertretungen in Istanbul und Ankara schließen.

Der Attentäter verfolgte die Touristengruppe und stellte sich dann dazu

Obwohl diese Hinweise auf Informationen des türkischen Geheimdienstes MIT und die CIA zurückgingen, verzichteten die türkischen Behörden darauf ihre Bürger zu warnen. Stattdessen warfen sie der deutschen Regierung vor, Panik zu schüren. Zwar griffen regierungsnahe Zeitungen diese Anwürfe gegen Deutschland auf. Aber viele Istanbuler bedankten sich bei der deutschen Regierung, dass sie gewarnt worden waren und deshalb das Zentrum um die İstiklâl Caddesi gemieden hatten.

Bis Sonntagnachmittag verhielten sich die türkischen Offiziellen denn auch auffällig still. Von Präsident Recep Tayyip Erdoğan war gar nichts zu hören. Ministerpräsident Ahmet Davutoğlu verurteilte den Terror in einer kurzen schriftlichen Stellungnahme. Es blieb Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu überlassen, am Rande eines Treffens mit seinem iranischen Kollegen Mohammed Sarif in Istanbul die Opfer dieses neuerlichen Anschlags zu beklagen.

Nach jetzigem Kenntnisstand hat das Attentat auf die israelische Reisegruppe große Ähnlichkeit mit dem Terroranschlag auf deutsche Touristen im Januar in Istanbul. Damals hatte sich – wie jetzt auf der İstiklâl Caddesi – ein ebenfalls dem IS verbundener junger Türkei unter die deutsche Reisegruppe auf dem Platz vor der berühmten Blauen Moschee gemischt und seine Bombe dann gezündet. Damals starben 11 deutsche Touristen.

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