Flüchtlingspolitik der Visegrad-Gruppe: Der „Verein der Abtrünnigen“

Der Widerstand der Visegrad-Staaten gegen die deutsche Flüchtlingspolitik wächst: Sie wollen die Balkanstaaten mit Streitkräften und Stacheldraht unterstützen.

Die Hände mehrerer Menschen schneiden vereint einen Kuchen mit der Aufschrift „25 Visegrad Group“ an

Die einen essen Kuchen, die anderen hungern an den Grenzen. Foto: reuters

BRÜSSEL/PRAG dpa | Vor dem EU-Gipfel zur Asylpolitik machen wichtige östliche Mitgliedstaaten gemeinsam Front gegen den Kurs von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Polen, Ungarn, Tschechien und die Slowakei berieten am Montag in Prag mit Mazedonien darüber, wie man die sogenannte Balkan-Route an der Grenze zu Griechenland abschotten könnte. Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn warnte die vier Länder der sogenannten Visegrad-Gruppe davor, in der Flüchtlingskrise einen „Verein der Abtrünnigen“ zu bilden.

Auch Merkel reagierte alarmiert. Der Stuttgarter Zeitung sagte sie: „Einfach in Mazedonien, das gar kein EU-Mitglied ist, einen Schutzzaun zu bauen, ohne uns darum zu kümmern, in welche Notlage das Griechenland brächte – das wäre nicht nur kein europäisches Verhalten, sondern löste auch unsere Probleme nicht.“

Der tschechische Ministerpräsident Bohuslav Sobotka hatte vor dem Treffen gesagt, falls Griechenland und die Türkei den Zustrom nicht begrenzen könnten, bestehe die Möglichkeit, „die illegale Wirtschaftsmigration an den Grenzen von Mazedonien und Bulgarien aufzuhalten“. Die Visegrad-Vier wollten beschließen, Mazedonien und Bulgarien mit Streitkräften, Grenzbeamten und Stacheldraht zu unterstützen.

Griechenland, wo seit dem Sommer Hunderttausende Flüchtlinge angelandet sind, wurde zu dem Treffen nicht eingeladen. Athen befürchtet nun, dass Mazedonien seine Grenze bald schließen könnte, so dass die meisten Flüchtlinge in Griechenland bleiben würden. Mazedonien baut an seiner Südgrenze zurzeit einen zweiten Stacheldrahtzaun.

Absperrungen zu Rumänien

Der slowakische Regierungschef Robert Fico sagte, Deutschland habe mit seiner Willkommenspolitik einen Fehler gemacht und wolle nun andere zwingen, diesen mit auszubaden. Ungarns Regierungschef Viktor Orban kündigte an, die eigenen Grenzanlagen noch zu verstärken. Er bekräftigte, sein Land wehre sich weiter gegen eine quotierte Verteilung von Flüchtlingen in Europa. Ungarn hat sich mit Zäunen an den Grenzen zu Serbien und Kroatien gegen Flüchtlinge abgeschottet, im Gespräch sind auch neue Absperrungen zu Rumänien.

Luxemburgs Außenminister Asselborn wies am Rande eines EU-Außenministertreffens darauf hin, dass die Visegrad-Länder in der Vergangenheit selbst viel Solidarität erfahren hätten. Sollten sie sich nun in der Flüchtlingskrise abschotten, werde es in Brüssel sehr schnell eine Debatte darüber geben.

Deutschland ist der größte Nettozahler in der EU. Länder wie Polen und Ungarn gehören zu den größten Nettoempfängern von EU-Geldern.

Die Länder der vor 25 Jahren gegründeten Visagrad-Gruppe wehren sich gegen Umverteilungspläne und lehnen es wie auch andere EU-Staaten ab, Flüchtlinge in nennenswerter Zahl aufzunehmen. Kanzlerin Merkel will erreichen, dass zumindest mittelfristig ein Teil der in der Türkei ankommenden Flüchtlinge vor allem aus Syrien gleichmäßig auf EU-Staaten verteilt wird.

Keine nationalen Alleingänge

Auch SPD-Chef Sigmar Gabriel warnte vor nationalen Alleingängen zur Begrenzung der Flüchtlingszahl. Die EU müsse es gemeinsam angehen „und nicht unter der Überschrift handeln: Rette sich, wer kann, jeder sucht sein Heil in der nationalen Politik“.

Dem Eindruck eines deutsch-französischen Konflikts in der Flüchtlingsfrage trat am Montag Regierungssprecher Steffen Seibert entgegen. Premierminister Manuel Valls hatte am Wochenende betont, Frankreich habe versprochen, 30 000 von 160 000 Flüchtlinge aufzunehmen, die seit Monaten verteilt werden sollen – keinesfalls aber mehr. Dazu sagte Seibert, er begrüße, dass Frankreich zu seinen Verpflichtungen stehe.

Die EU sagte Mazedonien am Montag zehn Millionen Euro zu. Die Unterstützung solle nicht zum Bau eines Zaunes beitragen, teilte die EU-Kommission mit. Es gehe darum, Grenzen zu kontrollieren – nicht, sie zu schließen.

Die CSU, die sich seit längerem auf Konfrontationskurs zur Kanzlerin befindet, will ihr weiteres Vorgehen von den Ergebnissen des EU-Gipfels abhängig machen. “Wenn auf dem Gipfel keine wirksamen Beschlüsse erreicht werden, muss national gehandelt werden“, forderte CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer.

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