GEHT’S NOCH?: Unter uns
Nicht nur AfD und Pegida. Nach den Ereignissen von Köln kommen die tumben Pauschalisierungen aus dem eigenen Bekanntenkreis
Mal schauen, wie das jetzt wieder verharmlost würde, fragte sinngemäß ein Bekannter am Montag bei Facebook. Anlass waren die Übergriffe von wohl Männern arabischer oder nordafrikanischer Herkunft aus der Silvesternacht, die vielen Anzeigen in Köln – und die ersten Berichte in überregionalen Medien. Mal schauen, wie das jetzt wieder verharmlost wird. Vorauseilendes Misstrauen gegenüber Medien, Politik, Polizei.
Nach Ereignissen wie denen von Köln wird gern geschaut, wie AfD- und Pegidakreise reagieren: wie pauschalisiert und instrumentalisiert wird. Wir schauen weg, indem wir andere beobachten statt uns selbst. Das ist billig.
Denn es sind nicht mehr die Bekannten von Bekannten von Bekannten, die so etwas schreiben. Es sind Leute, die man tatsächlich schon mal getroffen hat, die man kennt. Ähnlich sozialisiert wie man selbst. Ähnliche Probleme, ähnliche Sorgen, ähnliches Glück. Gefühlt also die Mitte der Mitte (wo auch immer die liegen mag und wer auch immer das genau sein mag).
Doch denen räumen wir eine Art Intelligenzkredit ein, denn wir kennen die ja, wir wissen doch, dass sie sonst eigentlich klüger sind, dass sie sich differenzierter ausdrücken können.
Dabei steckt hier – und nicht bei denen, die hinter irgendeinem Transparent auf dem irgendwas mit „-gida“ draufsteht herdackeln – die wohl größte Gefahr: Pauschalisierungen und rechtes Gedankengut sickern in unser Umfeld ein. Es beschleicht einen das unbehagliche Gefühl, dass die Einschläge näher kommen. Nach dem, was in Köln passiert sei, dürfe man dieses oder jenes jetzt ja wohl mal sagen. Klar, darf man. Sollte man aber nicht.
Denn es ist zum Kotzen – nicht zuvorderst, weil es solche Ansichten überhaupt gibt, sondern weil einem durch sie offenbar wird, dass das eigene soziale Netz längst nicht so reißfest ist, wie man dachte. Dass der eigene Wertekanon vielleicht doch vielstimmiger ist, als man meinte, und die schrillen Töne mittlerweile sehr deutlich rauszuhören sind.
Doch was jetzt? Weghören? Übertönen? Bei beidem fühlt man sich anschließend schmutzig. Jürn Kruse
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