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Im Grenzbereich der Volksverhetzung

Strafrecht Der Schriftsteller Akif Pirinçci hat mit seiner Rede in Dresden womöglich zu Gewalt gegen Politiker aufgerufen und die NS-Herrschaft gebilligt

FREIBURG taz | „Die KZ sind ja leider derzeit außer Betrieb.“ Vor allem diese Äußerung des Schriftstellers Akif Pirinçci auf der Dresdner Pegida-Demo sorgte für Empörung. Sie bewegt sich zumindest im Grenzbereich der Volksverhetzung. Die Staatsanwaltschaft Dresden ermittelt bereits.

Als „Volksverhetzung“ werden im Strafgesetzbuch (§ 130) mehrere Delikte zusammengefasst. Bei der klassischen Volksverhetzung geht es um Aufstachelung zum Hass und um die Aufforderung zu Diskriminierung und Gewalt. Selbst die Beschimpfung und Verleumdung ist strafbar, wenn sie zugleich die Menschenwürde angreift, etwa indem Menschen als „Ungeziefer“ bezeichnet werden.

Opfer können nicht nur ethnische oder religiöse Gruppen („Afrikaner“ oder „Muslime“) sein, sondern beliebige Teile der Bevölkerung, also zum Beispiel auch „die Politiker“ oder „die Lügenpresse“. Auch Äußerungen über Einzelne, die solchen Gruppen angehören, können volksverhetzend sein.

Später kamen weitere Begehungsformen mit explizitem NS-Bezug hinzu. So ist es seit 1994 als Volksverhetzung auch strafbar, den Holocaust zu leugnen, zu billigen oder zu verharmlosen. Seit 2005 ist zudem jede Billigung, Verherrlichung oder Rechtfertigung der NS-Herrschaft strafbar. Ziel war damals, ein Verbot der rechten Demos im fränkischen Wunsiedel zu ermöglichen, auf denen der Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß glorifiziert wurde.

Schutzgut aller Arten der Volksverhetzung ist der „öffentliche Frieden“. Deshalb sind Äußerungen nicht strafbar, wenn sie nur ins private Tagebuch geschrieben werden oder am Küchentisch unter Freunden fallen. Eindeutig strafbar sind aber einschlägige Äußerungen auf Versammlungen, auf Flugblättern oder im frei zugänglichen Internet.

Das Strafmaß beträgt je nach Tathandlung bis zu fünf Jahren Haft, meist ist aber auch eine Geldstrafe möglich. Die Staatsanwaltschaft muss von sich aus ermitteln, ein Strafantrag von Betroffenen (wie bei der Beleidigung) ist nicht erforderlich. Es kann auch jeder per Strafanzeige die Staatsanwaltschaft auf eine mutmaßliche Volksverhetzung aufmerksam machen.

Die Äußerung von Pirinçci: „Die KZ sind ja leider derzeit außer Betrieb“, bezog sich einerseits auf einen CDU-Politiker, der Asylgegnern die Auswanderung aus Deutschland nahelegte, ­andererseits war in seinem nächsten Satz aber von der „Macht“ die Rede. Sein KZ-Hinweis betraf also wohl alle regierenden Politiker und damit „Teile der Bevölkerung“. Es handelte sich zwar um keine ausdrückliche Aufforderung zur Gewalt, allerdings hat das Oberlandesgericht München eine bedauernde Äußerung über die Schließung der NS-Vernichtungslager bereits 1985 als ­Volksverhetzung bestraft. Das Modaladverb „leider“ könnte auch eine Bestrafung wegen einer impliziten Billigung der NS-Gewaltherrschaft rechtfertigen.

Der Anführer der Dresdner Pegida-Bewegung, Lutz Bachmann, wurde von der Staatsanwaltschaft Anfang Oktober wegen Volksverhetzung angeklagt. Dabei ging es um Facebook-­Äußerungen Bachmanns, die im Januar bekannt wurden und zur Spaltung von Pegida führten. Bachmann hatte Asylbewerber als „Dreckspack“, „Viehzeug“ und „Gelumpe“ bezeichnet. Bachmann habe damit Flüchtlinge auf eine Weise beschimpft, die ihre Menschenwürde angriff, so die Dresdner Staatsanwaltschaft. CHRISTIAN RATH

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