: Uffmuckende Mehrheit gesucht
Antifaschismus Kein Recht auf Nazipropaganda! Das Bündnis Uffmucken mobilisiert nach Berlin-Johannisthal, wo die NPD unweit einer Notunterkunft aufmarschieren will
von Lea Fauth
Die Berliner NPD bereitet ihren Wahlkampf für nächstes Jahr vor. Am nächsten Montag – am 2. November – hat die rechtsradikale Partei einen Großaufmarsch in Berlin-Schöneweide angekündigt. Unter dem Motto „Asylbetrüger abschieben“ plant die NPD, den Aufmarsch am Groß-Berliner Damm zu veranstalten – also genau bei der Unterkunft, in Seh- und Hörweite der Geflüchteten. Der Mob richtet sich somit direkt an die 550 Menschen, die dort erst kürzlich untergekommen sind.
In Berlin-Schöneweide ist es Zeit zum Aufmucken, zur Aktion. „Uffmucken“ und andere antifaschistische Organisationen planen eine Gegendemonstration in der Nähe des Heims, um den Geflüchteten ihre Solidarität zu bekunden. Aber auch, um Schlimmeres zu verhindern. „Für uns ist das ein Riesenskandal!“, sagt Tina Böhm, Pressesprecherin von Uffmucken. „Einen Neonazi-Aufmarsch in den Abendstunden in der Nähe einer Unterkunft für Geflüchtete enden zu lassen ist vollkommen unverantwortlich.“
Die Organisation „Johannisthal hilft“, die das Heim mit Spenden und ehrenamtlichen Einsätzen unterstützt, hat ebenfalls sein Unverständnis geäußert. Zwar seien noch keine der polizeilichen Genehmigungen definitiv. Im Moment sieht es aber so aus, als würde eine Lichterkette verboten werden, die einige Anwohner schützend um die Unterkunft bilden wollten – „zu nah am Heim“ ist der Grund für diese Ablehnung. Der NPD-Aufmarsch hingegen würde an einer Straße entlanglaufen, der in 20 Metern Luftlinie vom Heim entfernt sei, bestätigt ein Sprecher von „Johannisthal hilft“. Bis zum Redaktionsschluss werden diese Genehmigungen noch geprüft.
Doch auch wenn der NPD-Aufmarsch einige Straßen weiter weg verlegt werden sollte: Für Uffmucken ist es ein Anlass, den notdürftig untergebrachten Menschen in Johannisthal noch viel lauter und entschlossener zu zeigen, dass sie willkommen sind. „Unser Ziel ist, dass der Nazi-Aufmarsch nicht vor die Geflüchtetenunterkunft kommt“, sagt Aktivist Lukas P.* von Uffmucken. „Und wenn die Polizei das nicht hinkriegt, dann werden wir das hinkriegen.“ Es gehöre für ihn und seine Mitstreiter*innen zum „Aktionskonsens“, sich auf die Straße zu setzen und Sitzblockaden zu machen – „um die Flüchtlinge zu schützen“.
Lukas P. wohnt mittlerweile in Pankow und nicht mehr in Schöneweide – er hat es in der rechtsextremen Szene nicht mehr ausgehalten und ist „unter anderem deshalb“ dort weggezogen. Trotzdem will er sein Heimatviertel nicht einfach den Neonazis überlassen und geht seit 2012 mit anderen Aktivist*innen gegen die rechte Szene in der Gegend vor. Mit Demos machten sie auf die „braune Straße“ – die Brückenstraße in Schöneweide – aufmerksam.
Damals war die dort liegende Kneipe „Zum Henker“ ein wichtiger Treffpunkte für Nazis aus ganz Deutschland. Mit großen Demos und Postkarten an den Vermieter der Kneipe erreichten die Anwohner von Schöneweide schließlich, dass das Landesgericht sich des Falles annahm und die Räumung anordnete. „Gleichzeitig war immer das andere Ziel, Jugendlichen eine Alternative zu bieten, was Jugendkultur angeht“, fügt Lukas hinzu. Es werden Konzerte, Poetry-Slam und Kneipenfeste von Uffmucken organisiert.
Am 2. November geht es vor allem darum, Präsenz zu zeigen. Aus Erfahrung wissen die Aktivist*innen: Je mehr Gegendemonstrant*innen kommen, desto weniger Motivation haben die Rechtsradikalen künftig für ihre Aufmärsche. Für sie ist momentan daher das Wichtigste, in der Überzahl zu sein.
Montag, 2. NovemberDemo ab 18 Uhr an der Ecke Groß-Berliner Damm/Sterndamm. Vortreffpunkte: jeweils 17.30 Uhr am S-Bahnhof Ostkreuz und S-Bahnhof Neukölln uffmucken-schoeneweide.de
Ihren Angaben zufolge kommt es in Schöneweide nicht oft vor, dass ein rechtsradikaler Aufmarsch unter dem Label der NPD läuft. Rechte Kundgebungen und Märsche seien zwar in den vergangenen Jahren von der NPD finanziert und organisiert worden, jedoch gab die Partei sich nie offiziell als Veranstalterin zu erkennen. Bedeutet diese neue Offenheit, dass die NPD salonfähiger wird?
Dass der Aufruf zum Großaufmarsch nun offiziell von der Partei gegeben wird, heißt jedenfalls, dass mit großem Andrang zu rechnen ist. Denn die NPD richtet sich dabei sowohl an ihre Mitglieder in Berlin als auch im Bundesland Brandenburg.
Für Lukas P. kommt es nun darauf an, gegen diese unberechenbare Anzahl Rechtsradikaler in der Mehrheit zu sein. Man dürfe es „nicht zulassen, dass die Strategie der NPD aufgeht, ein Klima des Hasses gegen Geflüchtete in Johannisthal zu etablieren“, heißt es in einer Pressemitteilung. „Wir treten im Gegensatz dazu für eine Willkommenskultur ein.“
*Name von der Redaktion geändert
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen