Abstimmung in Athen: Parlament für Reformprogramm
Nach einer durchdebattierten Nacht findet Alexis Tsipras eine Mehrheit für das Reformprogramm. Seine Koalition steht nicht mehr geschlossen hinter der Regierung.
Athen rtr/dpa | Das griechische Parlament hat am Freitagmorgen das Reformprogramm und die damit verbundenen Sparauflagen der Regierung gebilligt. Die Regierung von Ministerpräsident Alexis Tsipras sicherte sich nach stundenlanger Debatte genügend „Ja“-Stimmen in dem 300 Mandate zählenden Haus. Die Abstimmung lief zunächst noch.
Nun können sich am Nachmittag die Euro-Finanzminister mit den Maßnahmen auseinandersetzen und letzte Hindernisse aus dem Weg räumen. Die EU-Kommission betonte am Morgen, das Paket werde sich auf nachhaltige Finanzen und Reformen konzentrieren.
Wie die Nachrichtenagentur Reuters zuvor erfuhr, soll das auf drei Jahre angelegte Rettungsprogramm einen Umfang von 91,7 Milliarden Euro haben, einschließlich Erlösen aus dem Verkauf von Staatsvermögen. In einer ersten Rate sollen noch im August 23 Milliarden Euro nach Athen fließen.
Mit den neuen Darlehen steigt der Schuldenberg des Landes 2016 auf einen Rekord von 201 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP).
Vertrauensfrage angekündigt
Die Regierungsmehrheit hat Tsipras bei der Abstimmung über das neue Programm erneut verfehlt. Wie Mitarbeiter des Regierungschefs Reportern im Parlament sagten, stünden nur noch 118 der 162 Abgeordneten der Koalition hinter Tsipras. Damit verfüge die Links-Rechts-Regierung nicht mehr über die für eine Minderheitsregierung nötige Mehrheit von 120 Parlamentariern.
Tsipras werde in den kommenden Tagen weiter die Regierung führen, bis die erste Tranche der neuen Finanzhilfe ausgezahlt ist. Anschließend wolle Tsipras vor dem Parlament erscheinen und die Vertrauensfrage stellen. Das sollte um den 20. August herum geschehen, verlautete aus Regierungskreisen.
Leser*innenkommentare
reblek
Heutzutage gilt offensichtlich jeder Mist, der in der Politik angestellt wird, als "Reform", obwohl verständige Mitmenschen wissen, dass es sich um etwas handelt, das mit "Reaktion" nicht nur besser, sondern korrekt beschrieben wäre. Oder noch besser: ist.
Pfanni
Wenn es um die von der Tsipras-Regierung erbrachten „Leistungen“ geht, sollte das Ergebnis der geplanten Vertrauensabstimmung klar sein:
- Im Wahlkampf wurden den Wählern vollmundig kostspielige Wahlgeschenke versprochen, ohne seriöse Finanzierung. Angemessen wären „Blut-Schweiß-und-Tränen“-Reden gewesen (siehe Churchill 1940)
- Die „neue Verhandlungsstrategie“ in Brüssel bestand lediglich darin, „mal kräftig auf den Tisch zu hauen“, dann würde die „Troika“ schon einknicken und kuschen. Tat sie aber nicht, sie ließ sich lediglich in „Institutionen“ umbenennen.
- Ein ganzes halbes Jahr wurde nur Zeit geschunden, von Hilfszahlung zu Hilfszahlung.
- Tsipras missachtete das Ergebnis der Volksabstimmung und fügte sich den Bedingungen für das 3. Hilfspaket.
- Er versprach, die Bedingungen zu erfüllen, allerdings gegen seine Überzeugung. Was kann man wohl von einem Jagdhund erwarten, der widerwillig zur Jagd getragen werden muss?
Wenn ich griechischer Abgeordneter wäre, ich würde der Tsipras-Regierung das Vertrauen entziehen!