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Brötchen und Platz weiter Mangelware

Flüchtlinge Die Lage am Lageso weiter prekär – Czaja: Flughafen Tempelhof als Unterkunft

Yasin El-Mogdabahil (Name geändert) beißt in das Puten-Sandwich. „Schmeckt gut“, sagt er. An der Qualität des Essens hat der junge Syrer nichts auszusetzen. Nur: „Es reicht nicht.“ El-Mogdabahil ist einer von rund tausend Flüchtlingen, die am Montag auf ihre Erstregistrierung beim Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) warten. Einer von tausend Flüchtlingen, die Hunger haben.

In ihrer Not konnten sie zuletzt nur auf freiwillige Helfer zählen. Hunderte von ihnen verteilen seit Wochen Brot, Obst, Müsliriegel und Kleider. Wo der Staat versagte, sprangen Initiativen wie „Moabit hilft“ in die Bresche.

Ende vorvergangener Woche übernahm dann die Caritas die Koordination der Hilfe. Eine weitere Entlastung der freiwilligen Helfer sollte diese Woche folgen: Das Lageso kündigte an, die Essenausgabe zu übernehmen. Tatsächlich verteilte am Montag ab zehn Uhr ein vom Lageso bestellter Catering-Dienst Brötchen mit Pute und Mozzarella – insgesamt 1.500 Essenspakete. Und damit viel zu wenig.

Helfer müssen hetzen

„Jedem hier ist klar, dass das nicht reicht“, sagt Laszlo Hubert, Sprecher von „Moabit hilft“. Hubert hat die Ärmel hochgekrempelt, hetzt von der Kleiderausgabe zur Wasserverteilung. Er lebe seit Tagen von Pizza aus der Pappschachtel, Zeit zum Kochen habe er keine mehr, weil er ständig am Lageso im Einsatz ist. „Wir haben in den letzten Tagen ungefähr 4.000 bis 5.000 Pakete am Tag verteilt“, sagt Hubert. Da sei es offensichtlich, dass 1.500 nicht reichen.

In der Tat seien die Pakete innerhalb einer guten Stunde weg gewesen, erfährt man von Flüchtlingen. Deshalb schleppten Hubert und seine Kollegen auch am Montag wieder Müsliriegel und Obst über die Wiesen vor dem Amt, damit die Flüchtlinge satt werden: „ungefähr 350 Kilo Lebensmittel“, schätzt Lasz­lo Hubert. Immerhin habe er gehört, dass die 1.500 Portionen des Catering-Dienstes am Dienstag aufgestockt werden sollen.

Regina Kneiding, Sprecherin der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales, bestätigt das: „Ab Dienstag kommt eine vegane Suppe zu den Lunch­paketen hinzu.“ Eine vegane Suppe? Mehr nicht? „Von weiteren zusätzlichen Lebensmitteln weiß ich nichts“, antwortet Kneiding.

Außerdem hatte das Lageso angekündigt, bis Montag genug Platz für die Arbeit von vier bis fünf ehrenamtlichen ÄrztInnen zu schaffen. Erst war von drei Zelten die Rede. Die standen zwar am Montag, werden nun aber nicht als Behandlungszimmer, sondern als Schlafplatz genutzt. Die Ärztinnen sollen stattdessen in Räumen des Lageso arbeiten.

Allerdings: Die Beamten hatten dafür am Montag lediglich einen einzigen Raum eingerichtet. Vier weitere sollen noch folgen. „Wir mussten da spontan umdisponieren“, erklärt Kneiding vom Lageso.

Flughafen im Gespräch

Das Lageso steht seit Längerem vor besonderen Herausforderungen. Täglich melden sich laut Senat 300 bis 550 Neuankömmlinge. Im August stellten 5.000 Menschen ihre Asylanträge in Berlin. Insgesamt könnten dieses Jahr 40.000 Asylbewerber kommen, schätzt der Senat. Die in Medienberichten genannte Zahl von 70.000 dementierte allerdings der Senat.

Aufgrund der steigenden Zahlen geht die Suche nach neuen Unterkünften weiter. Auch der frühere Flughafen Tempelhof steht zur Debatte. „Wir brauchen größere Möglichkeiten zur Unterbringung“, sagte Sozial- und Gesundheitssenator Mario Czaja (CDU) am Montag im RBB. „Ich halte keinen Standort, kein leerstehendes Gebäude, das dem Land gehört, für unrealistisch.“ Und dazu gehöre eben auch eine mögliche Unterbringung im ehemaligen Flughafen Tempelhof. Julian Rodemann

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