: Neuland betreten
Gewaltprävention Caritas-Modellprojekt zur Paarberatung bei häuslicher Gewalt vermeldet Erfolge
Paare können durch Beratung die Gewaltspirale in ihrer Beziehung beenden – wenn beide es wollen. Das ist das Ergebnis eines zweijährigen Pilotprojekts der Caritas, das Anfang dieser Woche mit einem Curriculum im Rathaus Charlottenburg vorgestellt wurde. Das zweijährige Beratungsprogramm „Jetzt Mal Anders – Ohne Gewalt klarkommen“ richtete sich an Paare, die gleichermaßen Gewalt – verbal oder körperlich – erleiden und ausüben. Diese Form häuslicher Gewalt wird als „situative Paargewalt“ bezeichnet.
„Situative Paargewalt ist, anders als patriarchale Gewalt, nicht Teil eines generellen Kontrollverhaltens, sondern ereignet sich im Rahmen eskalierender Konfliktsituationen“, so Marcel Kruse, Psychologe und einer der Autoren des Curriculums. Es käme seltener zu schwerer körperlicher Gewalt und zu tödlicher Eskalation.
Das Team des Modellprojekts erkennt mit seiner Beratung an, dass das Schema „männlicher Täter – weibliches Opfer“ nur eine von mehreren Formen häuslicher Gewalt darstellt. Im Falle situativer Paargewalt kann jeder Täter und/oder Opfer sein. „Der Caritasverband Berlin hat auf dem Gebiet der Beratungsarbeit Neuland betreten“, sagte Andreas Statzkowski, Staatssekretär für Sport und Verwaltung.Die Beratungen erfolgten nach dem sogenannten lösungsfokussierten Ansatz: „Das, was im Sinne der Klienten funktioniert ist richtig, und das muss nicht zwingend die Trennung sein“, erklärt Matthias Brandl, Supervisor und ebenfalls Mitautor des vorgestellten Curriculums. In Beratungsgesprächen sollen die Paare sofortige Lösungen für ihren Alltag erarbeiten.
In der zweijährigen Pilotphase hat sich dieser Ansatz laut Autorenteam bewährt: 49 Paare wurden in durchschnittlich jeweils sechs Sitzungen beraten. Sie werteten die Wirksamkeit der Beratung „überwiegend positiv“, rund 30 Prozent trennten sich während der Beratung.
Die Aussagekraft der Ergebnisse ist aufgrund der kleinen Stichprobe begrenzt. Institutionalisiert ist die von der Caritas erprobte Paarberatung noch nicht. „Anfang 2016 sollen umfassende Fortbildungen für die Mitarbeiter in den Beratungsstellen angeboten werden“, so Rolf Göpel, Regionalleiter des Caritasverband fürs Erzbistum Berlin. Wiebke Nordenberg
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