Ypsilantis Machtübernahme geplatzt: Gewissen auf Hessisch
Schock für die SPD: Andrea Ypsilanti scheitert mit dem Plan, sich zu Hessens Ministerpräsidentin wählen zu lassen - an vier Sozialdemokraten. Ein überraschender Entschluss ihres Vizes Walter.
Die Pläne der hessischen SPD-Chefin Andrea Ypsilanti, sich am Dienstag zur hessischen Ministerpräsidentin wählen zu lassen, sind geplatzt. Nach Dagmar Metzger haben drei weitere Abgeordnete der SPD-Fraktion, darunter ihr Stellvertreter und Dauerrivale Jürgen Walter, am Montag mitgeteilt, dass sie nicht für Ypsilanti stimmen werden. Damit hat diese im Landtag keine Mehrheit mehr. Walter begründete den überraschenden Schritt ebenso wie die Parlamentarierinnen Dagmar Metzger, Silke Tesch und Carmen Everts mit der geplanten Zusammenarbeit mit der Linkspartei.
Ypsilanti wollte sich neun Monate nach der Landtagswahl zur Chefin einer von der Linkspartei tolerierten rot-grünen Minderheitsregierung wählen lassen und so die Regierung unter Ministerpräsident Roland Koch (CDU) ablösen.
Am Montagvormittag informierten die vier Ypsilanti über ihr Nein und begründeten dies anschließend auf einer kurzfristig eingerufenen Pressekonferenz mit ihrem Gewissen. Walter, der am Samstag auf dem SPD-Landesparteitag in Fulda bereits gegen den Koalitionsvertrag gestimmt hatte, sprach von der schwierigsten politischen Entscheidung seines Lebens. Seit der Wahl sei er "hin und her gerissen" gewesen zwischen der Loyalität zur SPD und der tiefen Überzeugung, dass eine "von den Linken tolerierte Minderheitsregierung diesem Land, aber auch meiner Partei schaden würde". Alle vier Abgeordneten wollen ihr Mandat behalten. Man biete der Fraktion die weitere Zusammenarbeit an, sagte Everts.
Der hessische SPD-Generalsekretär Norbert Schmitt kritisierte die vier Abweichler scharf. Ihr Verhalten sei ein "Verstoß gegen Solidarität, menschliche Fairness und Demokratie" und "unverantwortlich gegenüber der gesamten SPD", sagte Schmitt. Bisher habe die Fraktion immer signalisiert, das Vorhaben mitzutragen, mit den Stimmen von SPD, Grünen und der Linken CDU-Ministerpräsident Roland Koch abzulösen. "Da haben manche das Gewissen sehr spät entdeckt." Der Darmstädter Vorsitzende der SPD-Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen, Horst Raupp, kündigte in der Frankfurter Rundschau einen Ausschlussantrag gegen die vier an.
In der Tat kam trotz vieler Verwerfungen Walters Entschluss letztlich überraschend. Noch am Wochenende hatte sich Ypsilanti darauf berufen, dass Walter ihr in einem Vieraugengespräch seine Stimme zugesagt habe. Auch nach Abschluss des Koalitionsvertrages vor zehn Tagen hatte er gesagt: "Ich werde Frau Ypsilanti wählen am Dienstag." Grünen-Chef Tarek Al-Wazir hatte die SPD am Sonnatg zur Geschlossenheit aufgerufen. Wenn der Regierungswechsel an den Sozialdemokraten scheitere, falle die SPD auf lange Zeit als Regierungskraft in Hessen aus.
Der Landesvorsitzende der Linkspartei, Ulrich Wilken, sprach von einem "schwarzen Tag für Hessen". Offenbar seien den SPD-Rechten Machtspielchen wichtiger als der Politikwechsel.
Nach dem Scheitern der geplanten Wahl Ypsilantis wird die CDU-Landesregierung von Ministerpräsident Koch weiter im Amt bleiben. Wahrscheinlich ist, dass Koch nun einen neuerlichen Versuch zur Bildung einer Jamaika-Koalition aus CDU, FDP und Grünen unternimmt. Der hessische FDP-Vorsitzende Jörg-Uwe Hahn forderte bereits am Montag, Koch und den hessischen Grünen-Chef Tarek Al-Wazir zu Gesprächen darüber auf, ob es noch Alternativen zu Neuwahlen gebe. Dazu müsste sich der Landtag mit Mehrheit selbst auflösen. Neben den Stimmen von CDU und FDP wären mindestens auch die der Grünen erforderlich.
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