Pro und Kontra: Muslimischer Feiertag für alle Schulkinder?

Kenan Kolat von der Türkischen Gemeinde hat vorgeschlagen, einen schulfreien muslimischen Feiertag einzuführen. Kann damit die Integration gefördert werden?

Sie sollen alle an einem muslimischen Feiertag zu Hause bleiben. Bild: dpa

Pro

Niemand ist überraschter als Kenan Kolat selbst, dass er mit der Idee, ein islamisches Fest zum schulfreien Feiertag für alle SchülerInnen zu erklären, ein so großes Medienecho gefunden hat. Dabei hat Kolat bloß die Frage eines Journalisten, ob so nicht ein Zugehen der deutschen Gesellschaft auf die türkeistämmigen Migranten ausgedrückt werden könnte, mit Ja beantwortet.

Dass ihn dazu wohl kaum die immer gern gewitterte Absicht einer "Islamisierung" bewegt hat, verrät ein anderes Detail des Interviews: Kolat schlägt als Feiertag das "Opferfest am Ende des Ramadan" vor. Nun ist das Opferfest zwar der zweite große Feiertag der Muslime. Mit dem zum Ende des Fastenmonats gefeierten Zuckerfest hat es aber nichts zu tun.

Eine schöne Verwechslung. Denn sie zeigt, dass man, um Kolats Vorschlag gut zu finden, keineswegs besonders religiös bewandert sein muss - eben genauso wenig wie dazu, Weihnachten einen Christbaum aufzustellen oder mal in die Kirche zu gehen. Immerhin zu zwei christlichen Festen - Weihnachten und Ostern - bekommen alle Schulkinder in Deutschland nicht nur einen Tag frei, sondern gleich mehrwöchige Ferien. Kolats Vorschlag mit dem Einwand zu begegnen, Religion sei von Schule zu trennen, ist deshalb Quatsch. Den christlich begründeten Ferien einen islamischen Feiertag zur Seite zu stellen, wäre stattdessen tatsächlich ein beeindruckendes Symbol für eine längst überfällige Einsicht. Sie lautet: Wir akzeptieren endlich, dass ihr ein Teil dieser Gesellschaft seid.

Und noch etwas würde der freie Tag für alle ermöglichen: dass Muslime und Nichtmuslime zusammen feiern. Dort, wo es - wie etwa in Berlin - schon jetzt möglich ist, dass muslimische SchülerInnen sich zu ihren Festen freinehmen, heißt das meist: Die einen bleiben untereinander, die anderen sitzen in der Schule und kriegen nicht mit, wie die Familien ihrer MitschülerInnen den Festtag begehen. Und für das mancherorts bereits gepflegte gemeinsame Feiern in der Schule bliebe immer noch Zeit: Die muslimischen Feste sind genau wie Weihnachten und Ostern mehrtägig.

ALKE WIERTH ist Redakteurin für Migration und Bildung bei taz-Berlin.

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Kontra

Nein, dass Emine, Veysel und all die anderen Muslime einen eigenen Feiertag bekommen, ist keine gute Idee. Die Kulturen sollten endlich miteinander ins Gespräch kommen - und nicht schulfrei haben. Wir erzählen uns zu wenig voneinander. Moscheen sind spanische Dörfer für uns. Kaum jemand hat türkisch-deutsche Freunde. Der Diskurs bleibt stets ein distanzierter mit "den anderen". Obwohl sie hier längst zu Hause sind, nicht wenige länger als der Autor dieser Zeilen. Und dennoch prügelt die Polizei im Zweifel nicht mich von der Straße, denn ich besitze Pass und Demonstrationsrecht.

Kenan Kolat, Vorsitzender der Türkischen Gemeinde, ist ein kluger Mann. Er liegt richtig, wenn er von der Mehrheitsgesellschaft Zeichen der Anerkennung für die deutschen Muslime einklagt. Die meisten der Kommentatoren haben nicht verstanden, was Kolat überhaupt wollte. Sie haben sich sofort zurückgezogen auf die Position, wie sie die rechtsextrem grundierte Seite Politically Incorrect rausposaunt - nur schärfer: Zunächst müsst "ihr anderen" eine Unterwerfungsgeste abliefern. Die Leitartikler, angefixt von Huntington, sagten: Bildet euch erst mal! Dann reden wir - vielleicht.

Diese Haltung ist eine Frechheit. Weil sie keine Ahnung vom strukturellen Rassismus hat, den unser Schulsystem ausübt. Das ist so, immer noch. Es liegt gerade zwei Jahre zurück, dass in einem nationalen Bildungsbericht Menschen mit Migrationshintergund als eigene Kategorie auftauchten. Zum ersten Mal! Offizielle Dokumente und Dossiers waren also fast ein halbes Jahrhundert blind für die Einwanderer. Deswegen ahnen wir nicht, wie viele Hürden Ali im Weg stehen, und dass er praktisch keine Alternative zur Hauptschule besitzt.

Dennoch wäre ein muslimischer Feiertag das falsche Zeichen. In Berlin hat das Volk entschieden, dass Muslime, Christen, Juden und weitere Religionen sich in Ethik verständigen. Ein kluger Beschluss. Er bedeutet, bezogen auf einen muslimischen Tag: Unterhaltet euch! Macht zusammen einen Projekttag! Nutzt das kommunitäre Potenzial, das Schule hat. Aber kehrt euch nicht mehr den Rücken zu.

CHRISTIAN FÜLLER ist taz-Bildungsredakteur. Zuletzt erschienen: "Schlaue Kinder, schlechte Schulen"

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