Grüne vor Grundsatzentscheidung: Auf der Suche nach der Richtung

Die Chefs der Grünen-Landtagsfraktionen fordern eine Öffnung hin zu Union und FDP. Das linke Lager hält dagegen. Nun muss der Bundesparteitag entscheiden.

Kater nach dem guten Wahlergebnis: Nun müssen die Grünen entscheiden, wo sie hinwollen. Bild: dpa

Den Grünen steht auf ihrem Parteitag am kommenden Wochenende in Rostock eine richtungsweisende Grundsatzentscheidung bevor. Sollen sie weiter auf das linke Lager setzen oder sollen sie sich vom Lagerdenken verabschieden? Während aus den Bundesländern deutliche Forderungen für eine Öffnung der Partei zu Union und FDP kommen, betont die Bundesspitze die Gemeinsamkeiten mit den Sozialdemokraten.

In einem gemeinsamen Antrag fordern alle Landesfraktionschefs der Grünen eine Überwindung des Lagerdenkens. Auf Landesebene müssten künftig auch Bündnisse mit Union und FDP möglich sein. "Es ist falsch, bestimmte Regierungskonstellationen grundsätzlich auszuschließen", heißt es in dem Gegenpapier zum Leitantrag des Bundesvorstands. Entgegen der Aussagen der Parteispitze, Jamaika im Saarland sei ein unbedeutendes regionales Experiment, würdigen die Unterzeichner die Koalition als "neues Kapitel für bündnisgrüne Regierungsbeteiligungen auf Landesebene".

Sylvia Löhrmann, Grünen-Fraktionsvorsitzende in Nordrhein-Westfalen, erklärte, bei den Landtagswahlen im kommenden Jahr müsse ihre Partei mit allen sprechen. "Unsere Themen brennen so sehr, dass wir nicht warten können, bis die SPD sich wieder berappelt hat", sagte sie der taz. Die Partei müsse sich an politischen Inhalten, nicht an Farbenspielchen orientieren. Für den Bund und 2013 habe der Antrag keine Bedeutung.

Auch Volker Ratzmann, Grünen-Fraktionsvorsitzender im Berliner Abgeordnetenhaus, will über ideologische Zuschreibungen hinwegkommen. "Wir müssen pragmatisch werden, die Lagerdiskussion hat keinen Wert mehr", erklärte er. Den von ihm initiierten Antrag sieht er als neuen Impuls für die gesamte Partei. Dass alle Fraktionschefs den Antrag unterzeichnet hätten, sei "in dieser breiten Front einmalig", so Ratzmann.

Auch sein Kollege aus Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann, wendet sich gegen die Positionierung im "völlig überholten" Rechts-links-Schema. "Wir sind eine bürgerliche Partei mit sozialem Blick", so Kretschmann. Der Antrag solle als Signal aus den Länder verstanden werden, die "Ausschließeritis" zu beenden. "Wir wollen keine Posten, sondern Macht", so Kretschmann.

Kritik am Kurs der Landesfraktionschefs kommt aus dem linken Lager der Grünen. Astrid Rothe-Beinlich, Grünen-Chefin in Thüringen und Mitglied im Bundesvorstand ihrer Partei, sieht das Papier lediglich als Diskussionsanstoß. "Der Antrag ist viel zu beliebig", sagte sie der taz. In der jetzigen Situation sei zu viel Offenheit nicht gut für die Grünen. "Wir haben uns im Leitantrag des Bundesvorstands deutlich als linke Partei positioniert, und für diese Verortung gibt es mit Sicherheit auch eine Mehrheit", so Rothe-Beinlich. Dass die Fraktionen sich jetzt auch in die Parteidiskussionen einmischten, sei ihr gutes Recht. "Jetzt wird man sehen, wie das zusammengebracht werden kann", erklärte sie.

Wie Rothe-Beinlich hofft auch die Grüne Jugend (GJ) darauf, dass die Landesfraktionschefs für ihre Forderungen nach einer Öffnung der Grünen keine Mehrheit finden. "Wenn man selbst nicht mehr weiß, wo man steht und wo man herkommt, besteht die Gefahr der Beliebigkeit", sagte GJ-Sprecher Max Löffler am Mittwoch. Für eine deutlich grüne Handschrift reiche es nicht aus, an eine Koalition mit Union und FDP "ein kleines Ökofähnchen dranzuhängen", so Löffler.

Auch der Berliner Grünen-Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele hält von dem Antrag nichts. "Das Papier will eine Öffnung überall hin, das halte ich für falsch", so Ströbele. Viele potenzielle WählerInnen der Grünen würden es nicht so leicht schlucken, wenn sie nicht mehr wüssten, ob die Grünen später eher mit SPD oder CDU zusammengingen. "Selbst wenn alle Grünen-Landesfürsten jetzt die Verabschiedung vom Lagerdenken fordern, wird das nicht erfolgreich sein", urteilt Ströbele.

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