Proteste gegen Bildungsreform in Italien: Studenten besetzen Turm von Pisa

Mit spektakulären und massiven Protesten rebelliert die akademische Jugend gegen die Studienreform – und die damit verbundenen Einsparungen.

Protest auf schiefem Grund: Studierende besetzen den Turm von Pisa. Bild: dapd

ROM taz | "Ihr blockiert unsere Zukunft, wir blockieren das Land!" Während am Dienstag im Abgeordnetenhaus die Schlussabstimmung über die Universitätsreform lief, machten Italiens Studenten Ernst mit ihrer Blockadedrohung, gingen Hunderttausende in den Universitätsstädten von Venedig bis Palermo auf die Straße.

In der Hauptstadt Rom hatten sich etwa 50.000 Demonstranten versammelt, Studenten, Oberschüler, Universitätsassistenten. Schon am Vormittag brach der Verkehr in der Innenstadt zusammen, denn die Polizei hatte gleichsam den Ausnahmezustand über das Zentrum verhängt. Sämtliche Straßen waren durch quergestellte Mannschaftswagen blockiert, jeder Versuch der Studenten, zum Parlament vorzudringen, wurde abgewehrt.

Als schließlich einige Demonstranten versuchten, einen der Polizeibusse umzustürzen, setzte die Polizei nicht bloß Schlagstöcke, sondern auch Tränengas ein. Schließlich zogen die Protestierer zum Bahnhof Termini und besetzten dort eine Stunde lang die Gleise.

Blockaden von Bahnhöfen, Stadtautobahnen, Verkehrsknotenpunkten prägten in Dutzenden anderen Städten das Bild des Protestes, ob in Turin, Pisa, Perugia, Lecce oder Palermo. In Mailand, Bologna und Brescia kam es zu handgreiflichen Auseinandersetzungen mit der Polizei.

"Die wirklichen Studenten sind zu Hause und studieren, auf der Straße sind bloß Autonome und Bummelstudenten", tat Ministerpräsident Silvio Berlusconi den Massenprotest ab. Ganz so ist es allerdings nicht. So sind zum Beispiel in Rom mittlerweile flächendeckend alle Fakultäten der größten Universität, der "Sapienza", besetzt, und im ganzen Land werden täglich neue Universitäten von den Studenten okkupiert.

Parallel dazu laufen überall mehr oder minder spektakuläre Aktionen: In den letzten Tagen erklommen Studenten den Schiefen Turm von Pisa genauso wie das Kolosseum in Rom oder die Markuskirche in Venedig. Selbst vom Arc de Triomphe in Paris wehte am Dienstag ein von italienischen Studenten angebrachtes Transparent gegen die Universitätsreform.

Die Studenten können sich bei ihrem Protest auf solide Unterstützung des akademischen Mittelbaus verlassen. Zwar verspricht die Reform mehr Autonomie für die Universitäten und will die Zuteilung der Mittel in Zukunft auch von der Qualität in Forschung und Lehre abhängig machen - zugleich aber wurden und werden diese Mittel drastisch zusammengeschnitten.

Ein zentraler Baustein der Reform ist die Abschaffung der bisherigen Stellen für Forschungsassistenten; wer einmal den Posten hatte, behielt ihn lebenslang. In Zukunft soll es nur noch Zeitverträge geben; maximal acht Jahre können die Assistenten dann beschäftigt werden. Da aber zugleich die Neubesetzung von Professorenstellen weitgehend gestoppt wurde – nur eine von fünf frei werdenden Stellen darf in den nächsten Jahren besetzt werden –, fürchtet der akademische Nachwuchs, bald in einer Sackgasse zu landen.

Studierende protestieren am Turm von Pisa. Bild: dapd

Schon jetzt wurden außerdem die Stipendienfonds sowohl für Studenten als auch für Doktoranden drastisch gekürzt. Ähnlich drastisch spart die Regierung bei den Schulen: Dort sollen im Zeitraum 2010-2012 acht Milliarden Euro gestrichen werden – das wiederum treibt die Oberschüler zum Schulterschluss mit den universitären Protestierern und zu Besetzungen von Schulen.

Am Dienstag winkte das Abgeordnetenhaus die Reform glatt durch. Auch Gianfranco Finis neue Partei FLI (Zukunft und Freiheit für Italien), die aus der Berlusconi-Koalition ausgeschert ist, votierte mit Ja. Nächste Woche wird der Senat sich nun mit der Reform befassen. Die Hoffnung der Studenten ist jetzt, dass Berlusconi am 14. Dezember bei einem Misstrauensvotum scheitert. Käme es danach zu einer Parlamentsauflösung, bliebe die Reform erst einmal stecken.

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