Katharina Nocun neue Geschäftsführerin: Drive und Feuer für die Piraten
Der Politische Geschäftsführer der Piraten, Johannes Ponader, ist abgetreten. Neu auf dem Posten: Die „hochgradig motivierte“ Katharina Nocun.
NEUMARKT taz | Auf diesen Moment hatten viele Piraten seit Monaten gewartet: Der glücklose Politische Geschäftsführer Johannes Ponader ist abgetreten – sein Posten neu besetzt. Mit einer überwältigenden Mehrheit von 81,7 Prozent entschied sich die Parteibasis zum Auftakt des Bundesparteitags der Piraten im bayerischen Neumarkt für die Netzaktivistin Katharina Nocun, 26 Jahre, aus Osnabrück. Die in der Netzgemeinde respektierte Datenschützerin und Bundestagskandidatin hatte Anfang des Jahres vergeblich versucht, für die Piraten in den niedersächsischen Landtag einzuziehen.
„Ich möchte von niemandem mehr hören, dass wir diese Bundestagswahl nicht wuppen werde“, rief die 26-Jährige nach ihrer Wahl in den Saal. Sie selbst sei jedenfalls „hochgradig motiviert“. In ihrer Bewerbungsrede hatte sie die Piraten als „die politische Kraft des Kommunikationszeitalters“ beworben und ihre Parteifreunde aufgefordert, sie müssten sich jetzt „verdammt nochmal“ zusammenreißen, um den Einzug in den Bundestag noch hinzubekommen. Dafür gab es donnernden Applaus aus dem Saal.
Nocun erzielte auch deshalb ein so gutes Ergebnis, weil einer der Favoriten für das Amt des Politischen Geschäftsführers, der bayerische Bundestagskandidat Andi Popp, seine Kandidatur zurückzog – zu ihren Gunsten. So war es keine große Überraschung mehr, dass die 26-Jährige am Ende die mit Abstand meisten Stimmen der rund 1.000 Parteimitglieder im Saal auf sich versammelte. Nocun habe den nötigen „Drive“ und das nötige „Feuer“ für die Position, sagte Popp nach der Wahl der taz. Er hoffe, dass sie wieder mehr „Leidenschaft“ in der Partei wecken werde – ähnlich wie einst die ehemalige Politische Geschäftsführerin Marina Weisband.
Unter den fünf Kandidaten für die Spitzenposition – zwei Frauen und drei Männer - war auch einer, der unlängst bereits bei der „Alternative für Deutschland“ gesichtet worden war: Christian Jacken, nach eigenen Angaben einer der „Miterfinder“ der unter Piraten geschätzten Liquid Democracy. Als er auf dem Parteitagspodium in seiner Bewerbungsrede bekannt gab, er sei Doppelmitglied in AfD und Piratenpartei, wurde er ausgebuht und ausgepfiffen – und schließlich des Podiums verwiesen.
Der bisherige Politische Geschäftsführer Johannes Ponader verabschiedete sich nach monatelangem Machtkampf und zahllosen Shitstorms mit selbstkritischen Worten aus der Parteispitze. Es sei „einiges misslungen“ in seinem Jahr als Politischer Geschäftsführer, räumte der 36-Jährige ein. „Wo ich etwas falsch gemacht habe, möchte ich um Entschuldigung bitten.“ Die vernichtende Generalkritik an seiner Vorstandsarbeit wies Ponader allerdings zurück. Zuletzt hatte Parteichef Bernd Schlömer in einem Gespräch mit der taz gesagt, die Piraten hätten Ponader nichts zu verdanken.
„Der Partei nutzen oder schaden – das kann niemals ein einziger Pirat“, versicherte Ponader in seiner Abschiedsrede mit Tränen in den Augen. Und kündigte trotzig an: „Wer bei uns ein Vorstandamt abgibt, der tritt nicht zurück, er tritt nach vorne. Ich bin Johannes Ponader. Ich bin Basispirat.“ Zum Abschied bekam er Blümchen in Plastikfolie. Der Applaus für seinen Auftritt hätte kaum dünner ausfallen können.
Bis zum frühen Freitagabend waren gut 1.000 Piraten beim dreitägigen Parteitag in Neumarkt in der Oberpfalz eingetroffen – deutlich weniger als noch beim vergangenen Bundesparteitag in Bochum, als die Partei mit mehr als 2.000 akkreditierten Piraten einen neuen Mitmach-Rekord gefeiert hatte.
Leser*innenkommentare
Nils
Gast
Danke! Das ist doch mal ein vernünftiger Artikel. Zumindest einigermaßen neutral gehalten.
Und interessant, dass bei einem solchen Artikel dann die Kritiker in den Kommentaren losbrüllen. Die Piraten spalten scheinbar die Gesellschaft immer noch recht stark. Vielleicht weil Sie etwas Neues darstellen und Menschen haben vor Neuem meist erstmal Angst.
Es ist nun aber leider so, dass wir mit "dem Alten" nicht weiterkommen, da müssen wir Neues ausprobieren. Dabei gilt sich nicht ideologisch blockieren zu lassen, sondern eher, wie Neil Gaiman in anderem Kontext fordert, wie der Löwenzahn zu sein und seine Samen breit streuen, also viele Alternativen auszuprobieren.. Irgendwo kristallisiert sich dann was raus. Die Piraten sind eine Alternative, die man nicht zu früh totkritisieren sollte!
Bernd Goldammer
Gast
Ja! So muss es sein! Endlich wieder a schmuckes Dirndl auf der Bühnen! Da schau mer hi, net auf Inholte.
Richard Detzer
Gast
Von der intellektuellen Vorgabe zur hinten anstehen "was können wir tun" Partei. Vielen Dank, in der Realität angekommen. Jetzt noch die Frage, wo ist vorwärts. Willkommen im Team, Piratenpartei!
Horsti
Gast
@ Hauke Laging:
Wie viel Leidenschaft die junge Frau in die Männerpartei bringt, konnte man bei der Landtagswahl in Niedersachsen gut erkennen. Da holte sie als Kandidatin nämlich 2,1%. Super, so viel Leidenschaft...
Jung und weiblich zu sein, sind nun einmal keine ausreichenden Qualitätsmerkmale, auch wenn die feministische Fraktion dies so sieht.
T.V.
Gast
Blind kommt man auch durch Türen, unangenehme Kollateralschäden inklusive
Captain Jack Sparrow
Gast
Entschuldigen Sie werthe LeserInnen mir diese einzige Frage. Aber sind diese Piraten Vollspackos?
Cap`n Jack Sparrow
Jan
Gast
Ach die Piraten - wie süüüß ;)
Leider ein Haufen spätpupertärer Möpchtegern-Nerds.
Meine Wette das die AfD die DOPPELTE Stimmzahhl zu der Bundestagswahl abräumt - da hilft auch kein gutmeschliches Echaufieren - mimimimimi.
Wolfgang
Gast
Die BDA-BDI-Monopol-, Banken-, Wirtschafts-, Konzern-, Medien- und Gesellschaftsführer haben ihre Staats-Beamten und 'Piraten' unter Kontrolle.
Brave Michels Kleinkinder-Spielwiese.
Lara Croft
Gast
Soso, die neue hat "die Piraten als „die politische Kraft des Kommunikationszeitalters“ beworben".
Naja, also wenn ich mir die Internetpräsenz der Piraten ansehe und ihre Mitbestimmungssoftware, dann ist es sonnenklar: Die Bürgerbeteiligung funktioniert nicht bei der Piratenpartei. Offenbar funktioniert noch nicht mal die Mitgliederbeteiligung.
Auf E-Mail-Anfragen an Abgeordnete oder Bezirksverordnete in Berlin kriegt man erfahrunggemäß überhaupt nie eine Antwort.
Parteichef Schlömer ist ein Mann, der für den CDU-Verteidigungsminister De Maizaire als Beamter arbeitet und der den offenbar einzigen links orientierten Politiker bei den Piraten, Herrn Ponader, leider mit rausgeekelt hat.
Schade, die Piratenpartei ist für mich nicht wählbar, denn sie haben keines ihre Versprechen eingehalten.
- Besonders nicht die von Transparenz und Bürgerbeteiligung. Ihre Positionen zum Urheberrecht sind für Kreative der reine Existenzuntergangshorror.
Und die Sache mit dem bedingungslosen Grundeinkommen (BGE)ist immer noch nicht durchdacht. - Ein BGE muss über dem Hartz-Iv--Satz liegen und darf nicht über Konsumsteuern finanziert werden.
Eine neue frische politische Geschäftsführerin reicht nicht aus, wenn die inhaltliche Substanz bei den Piraten fehlt. Ich wünsche ihr aber auf jeden Fall viel Erfolg dabei durch die Shitstorm-Angriffe der Männer zu kommen.
Traurig ist, dass eine so junge Partei wie die PIratenpartei derart sexistisch ist. Da muss frau in Sachen Gleichberechtigung wieder mal bei Null anfangen.
pirania
Gast
dass der applaus fuer ponader nicht duenner ausfallen haette koennen stimmt nicht.
da die piraten keine normale partei sind, haette der applaus durchaus _komplett_ ausfallen koennen.
damit will ich sagen, dass er doch (m.E. zurecht) von einigen anerkennung bekommen hat.
ich fuer meine teil fand es sehr wichtig, dass er sich in den medien hat vermoebeln lassen. da sieht man mal, was die gesellschaft mit leuten macht, die sich weigern sich freiwillig (dem BIP?) zu versklaven, ohne vom eigenen kontostand moralisch legitimiert zu sein.
gustav
Gast
Was die außer Macht, Presse, Geld
nun aber wirklich wollen, weiß bis jetzt
immer noch keiner!
Und noch viel wichtiger ist, wie sie sich pro oder
contra zu den anderen Wahlprogrammen der Parteien
verhalten wollen. Klarheit statt Spannung
wäre wichtiger!
Kunz
Gast
Das sind doch gute Neuigkeiten!
Jetzt geht es wieder aufwärts, Piraten - ich drücke Euch die Daumen!
Hauke Laging
Gast
Eine junge Frau bringt also Leidenschaft in die Männerpartei (schlimmer noch: soll!). Das ist doch bestimmt wieder sexistisch, wenn man nur mal genau genug hinsieht...
Heiko
Gast
Piratenforderung: "Musiker sollen ihr Musik gefälligst im Internet freigeben und ihr Geld mit Konzerten verdienen."
Hier merkt man das die Piraten das Internet als Spielwiese mißbrauchen wollen und kommerzielle Angebote billigend und zielgerichtet zerstören wollen. Arroganter und unverschämter geht es wirklich nicht mehr. Jeder sollte doch SELBER entscheiden können wie er sein Geld verdienen möchte. Keiner möchte beklaut werden, keiner. JEDER hat Anspruch auf Respekt seiner Person und seines materiellen/geistigen Eigentums.
Das steht JEDEM Menschen zu !!!