Asylpolitik in Hamburg: Arrivederci und Auf Wiedersehen

Italien und Deutschland schieben die Verantwortung für Flüchtlinge aus Afrika hin und her. Für die 300 Betroffenen bedeutet das ein Leben auf der Straße.

Seit sieben Wochen leben auf Hamburgs Straßen rund 300 obdachlose afrikanische Männer. Bild: dpa

HAMBURG taz | Der Brief von der Stadt Hamburg lag am Mittwochmorgen in seinem Zelteingang: Kuaku J. und die sechs anderen Flüchtlinge hätten bis 15 Uhr Zeit, um die Parkanlage im Stadtteil St. Pauli zu verlassen, stand dort. Mit ihrem Zwei-Personen-Iglu und den beiden Teppichen, unter denen sie seit Wochen schlafen, verstießen sie gegen die „Grün- und Erholungsanlagen VO“. Wenn sie nicht gingen, werde geräumt. Also packten sie ihre nassen Sachen wieder in die Plastiksäcke. Es ist nicht das erste Mal.

Seit sieben Wochen leben auf Hamburgs Straßen rund 300 obdachlose afrikanische Männer, die aus italienischen Flüchtlingsunterkünften stammen. Anfang März hatten ihnen die italienischen Behörden 500 Euro und Reisepapiere für den Schengen-Raum in die Hand gedrückt. Sie sollten ihr Glück in Nordeuropa versuchen, habe man ihnen gesagt, erzählen sie. Doch in Deutschland haben sie kein Recht auf Arbeit, Unterkunft oder medizinische Versorgung.

Ihr Schicksal hat nun eine Debatte über die europäische Flüchtlingsgesetzgebung ausgelöst. Denn eigentlich ist derjenige Staat, in dem ein Flüchtling zuerst EU-Boden betritt, auch für dessen Asylverfahren zuständig. Für Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) ist Italiens Verhalten deshalb eine „fragwürdige Auslegung des Schengen-Abkommens“, wenn sich bewahrheiten sollte, dass die Regierung die Menschen bewusst in andere Staaten geschickt habe.

Die Italiener hätten ihm nun aber zugesichert, die Flüchtlinge wieder zurückzunehmen, sagte Friedrichs Sprecher Jens Teschke am Donnerstag. Das Bundesinnenministerium forderte die Hamburger Landesbehörden auf, nun die nötigen Maßnahmen für die Rückkehr der Flüchtlinge zu ergreifen. Dort, fürchten die Obdachlosen, säßen sie aber ebenfalls auf der Straße. In einer Flüchtlingsunterkunft in Brandenburg hat sich am Mittwoch ein Mann unmittelbar vor seiner Abschiebung nach Italien das Leben genommen.

„Verschiebemasse“

Flüchtlinge dürften „nicht zur Verschiebemasse gemacht werden“, kritisiert die Parteivorsitzende der Grünen, Claudia Roth. Die schwarz-gelbe Bundesregierung drücke sich vor ihrer Verantwortung und verstecke sich hinter den EU-Abkommen: „Deutschland muss bereit sein, mehr Flüchtlinge aufzunehmen“, sagt sie.

Das italienische Innenministerium verteidigte dagegen seinen Umgang mit den afrikanischen Flüchtlingen: Das Ausstellen der dreimonatigen Aufenthaltstitel sei in Absprache mit Deutschland und im Einklang mit dem europäischen Recht geschehen. Viele der Afrikaner waren 2011 aus Libyen nach Italien gekommen. Dort hatten sie als Wanderarbeiter gelebt, bevor sie vor der Revolte gegen Staatschef Muammar al-Gaddafi fliehen mussten.

In Hamburg hatte Sozialsenator Detlef Scheele (SPD) den Männern bisher bloß angeboten, ihnen eine Rückfahrkarte nach Italien zu bezahlen. Den Versuch von Flüchtlingsaktivisten vor rund einer Woche, Zelte auf einer Wiese in der Innenstadt zu errichten, hatte das zuständige Bezirksamt unterbunden.

Lugenentzündung, Fieber und Gliederschmerzen

Seit zwei Wochen regnet es fast Tag und Nacht. Viele der Flüchtlinge seien mittlerweile erkrankt, sagen ihre Sprecher. Zwanzig von ihnen seien in medizinischer Behandlung. Meist handele es sich um Lungenentzündung, Fieber und Gliederschmerzen. Der Hamburger Chef des Deutschen Gewerkschaftsbunds, Uwe Grund, forderte den SPD-Senat auf, rasch eine Unterkunft für die Obdachlosen zu finden. Wenn es „wirklich keine leeren Turnhallen, Kirchen, Fabrik- oder Lagerhäuser“ gebe, solle man die Flüchtlinge doch zumindest zelten lassen.

Zuletzt hatte Scheele mit den Kirchen über eine „kurzfristige zeitlich begrenzte Unterbringung“ der Männer verhandelt, sagt dessen Sprecher. Die Hamburger hätten allerdings Schwierigkeiten gehabt, „sich mit der Diakonie auf einen Preis zu einigen“, hieß es vom Innenministerium in Berlin.

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