Gregor Gysi über Rot-Rot-Grün: „Entweder jetzt oder 2017“

Der letzte Parteitag der Linken in Göttingen war ein Wendepunkt, sagt Gregor Gysi. Zu Lafontaine habe er „ein sachliches Verhältnis“.

Die Voraussetzungen für eine rot-rot-grüne Regierung: Eine Mehrheit, passende Inhalte, eine „gesellschaftliche Stimmung“ Bild: dpa

taz: Herr Gysi, ist Ihnen langweilig?

Gregor Gysi: Nein, wieso? Wahlkampf ist immer spannend.

Dieser Parteitag nicht.

Selbst wenn das so wäre, ist mir das lieber als so etwas wie der Parteitag in Göttingen. Das war nicht langweilig, aber anstrengend. Zu anstrengend.

In Göttingen haben Sie 2012 den Westlinken „Arroganz“ vorgeworfen und in der Fraktion „Hass“ entdeckt. Und jetzt ist wieder alles gut? Wie das?

In Göttingen hat die Partei sich erschreckt. Auch die, die sich über meine Rede geärgert haben, wussten: So geht es nicht weiter. Ich wusste damals nicht, ob meine Rede mobilisiert oder deprimiert. Ich wurde danach auch bei Parteitagen im Westen eingeladen und dachte: Au Backe! Sie haben mich aber gut aufgenommen. Göttingen hatte etwas Befreiendes. Das war ein Gewitter. Wir brauchten das und haben uns danach politisiert, also gut entwickelt.

65, ist seit 2005 Fraktionsvorsitzender der Linksfraktion im Bundestag. Zuvor war der Rechtsanwalt lange Jahre Vorsitzender der PDS-Fraktion im Bundestag.

Sind Sie froh, dass Oskar Lafontaine bundespolitisch keine Rolle mehr spielt?

Er ist ja Vorsitzender unserer internationalen Kommission und wird hoffentlich in den Wahlkampf eingreifen. Wir waren als Fraktionsvorsitzende ein gutes Team. Es gab vor Göttingen einen Konflikt. Jetzt gehen wir sachlich miteinander um. Nicht so wie früher, aber sachlich.

Die Partei wirkt entspannt. Ist das nach all den Flügelkämpfen ein Ermüdungsbruch?

Nein. Die Flügel, Linke in West und Ost, wissen, dass sie aufeinander angewiesen sind. Sie gehen ohne die anderen unter. Das haben alle begriffen. In der Bundestagsfraktion ist es auch besser geworden, disziplinierter, man hört sich mehr zu. Jetzt müssen die Flügel nur noch aufhören, heimlich nachzudenken, wie sie die anderen besiegen können. Das kommt noch.

Im Westen hat die Linkspartei fast alle Landtagswahlen verloren. Entwickelt sich die Partei zurück zu einer PDS plus?

Nein, nein. In den alten Bundesländern liegen wir in Umfragen für die Bundestagswahl bei 4 bis 5 Prozent. Wann hatte eine Partei links von der Sozialdemokratie dort das letzte Mal solche Ergebnisse?

Also alles prima?

Wir haben die Partei im Westen von oben aufgebaut. Es gab 2009 einen Sog, aber es fehlte die regionale Verankerung. Insofern waren die letzten Wahlergebnisse realer. Jetzt brauchen wir zweierlei: ein gutes Ergebnis bei der Bundestagswahl und den Aufbau der Partei vor Ort.

Im Westen hält fast die Hälfte der Wähler die Linkspartei für eine „Ostpartei, die im Westen keiner braucht“.

Kann sein. Auch wenn das so ist: Wir verlieren nicht im Osten, wenn wir im Westen gewinnen, und umgekehrt. Also: Entweder wir gewinnen in Ost und West – oder wir verlieren. Gemeinsam.

Hat Rot-Rot-Grün noch irgendwann irgendeine Chance?

2013 ist es noch nicht sehr wahrscheinlich. Dafür brauchen wir drei Voraussetzungen: Es muss eine Mehrheit im Bundestag geben, es muss inhaltlich passen, und es muss eine gesellschaftliche Stimmung dafür geben.

Die gibt es jetzt aber nicht.

Nein, aber das kann kommen. Entweder jetzt oder 2017.

Das Nein der SPD klingt aber ziemlich rigoros.

Wenn die SPD im Herbst wieder in eine große Koalition geht, wird ihr das bei Wahlen schaden. Die SPD wird neu nachdenken, ob sie es nicht doch mit uns und den Grünen probiert. Ich bin sicher: Nach dem 22. September wird es intensivere Kontakte zwischen Linkspartei und SPD und Grünen geben. Die SPD braucht manchmal ein bisschen lange, um etwas zu begreifen. Aber diese Debatte wird kommen. Ich bin mir da absolut sicher. Wenn Peer Steinbrück nicht Kanzler wird, wird er in der SPD keine Rolle mehr spielen.

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