Stress am Arbeitsplatz: Ministerin unter Druck

Gewerkschaften fordern eine Anti-Stress-Verordnung. Ob sie kommt, ist fraglich. Arbeitsministerin Nahles hat selbst genug Stress – mit den Arbeitgebern.

3.411 Mails - hoffentlich nicht alle vom Chef und während der Freizeit. Bild: dpa

BERLIN taz | Welcher Arbeitnehmer hätte das nicht gern? Weniger Stress – und das per Verordnung! Weil es genau darum geht, werden Gewerkschaften und Arbeitgeber am Mittwoch Andrea Nahles (SPD) sehr aufmerksam beobachten. Die Bundesarbeitsministerin äußert sich in Berlin auf einer Tagung des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) und der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) zum Thema „Psychische Gesundheit in der Arbeitswelt“. Die Frage ist, ob sich Nahles zu einer Anti-Stress-Verordnung bekennt. Das fordern Gewerkschaften seit Langem, doch Nahles’ Vorgängerin, Ursula von der Leyen (CDU), hatte dieses Ansinnen stets zurückgewiesen.

Dabei ist die Dringlichkeit des Themas unter Fachleuten unumstritten: Psychische Erkrankungen sind mittlerweile der Hauptgrund für Frühverrentung. Die Zahl der Arbeitsunfähigkeitstage wegen psychischer Leiden ist in den letzten Jahren rasant gestiegen. Dafür ist nicht nur der Beruf verantwortlich. Aber Studien und Umfragen zeigen, dass Stress und Leistungsdruck für die Beschäftigten wachsen und zu permanenter Erschöpfung führen können.

Im vergangenen September hatten sich BDA, DGB und das Arbeitsministerium deswegen auf eine gemeinsame Erklärung geeinigt. Der Konsens: Mehr Prävention, mehr Forschung – und mehr Werbung für die bereits vorgeschriebenen Gefährdungsberurteilungen am Arbeitsplatz.

Die Gewerkschaften, allen voran die IG Metall, drängen jedoch darauf, eine Anti-Stress-Verordnung zu erlassen. Das wäre kein neues Gesetz, sondern eine gebündelte und detaillierte Auslegung bereits bestehender Gesetze und würde zeigen, was gegen psychische Belastung konkret getan werden muss. Solche Verordnungen sind in anderen Bereichen des Arbeitsschutzes üblich. Sieben Bundesländer, darunter NRW und Hamburg, hatten eine ausbuchstabierte Anti-Stress-Verordnung schon 2013 durch den Bundesrat gebracht und zur Befassung an den Bundestag geleitet. Dort liegt das Projekt seither unangetastet.

Die Arbeitgeber sträuben sich gegen eine Verordnung. Sie halten die derzeitigen, über verschiedene Regelwerke verstreuten Anmerkungen zu psychischen Belastungen am Arbeitsplatz für ausreichend. Das sah auch Ursula von der Leyen so. Von der SPD-Frau Nahles könnte man anderes erwarten. Aber Stress hat die Ministerin gerade selbst genug: Sie liegt mit den Arbeitgebern bereits wegen der Rente mit 63 und dem Mindestlohn über Kreuz.

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