US-Präsident zu Folter nach 9/11: „Wir haben eine Linie überschritten“
Waterboarding, Schlafentzug, Kälteschocks - Barack Obama räumt mit deutlichen Worten ein, dass die USA Terrorverdächtige massiv gefoltert haben.
WASHINGTON ap | Mit ungewöhnlich deutlichen Worten hat US-Präsident Barack Obama die Folter von Terrorverdächtigen durch die CIA eingeräumt. Unmittelbar nach den Anschlägen vom 11. September 2001 seien Fehler gemacht und Grenzen überschritten worden, sagte Obama am Freitag bei einer Pressekonferenz in Washington. „Wir haben einige Leute gefoltert. Wir haben einige Dinge gemacht, die unseren Werten zuwiderlaufen.“
Obama bezog sich auf einen vom Senat erstellten Untersuchungsbericht, der sich um die umstrittenen CIA-Verhörmethoden bei der Jagd auf mutmaßliche Terroristen in der Ära George W. Bush dreht. In den kommenden Wochen sollen die Ergebnisse veröffentlicht werden. Dass der Bericht sehr kritisch ausfallen wird, ist bereits bekannt. Er erzähle „eine Geschichte, auf die kein Amerikaner stolz ist“, heißt es in einer internen Stellungnahme des US-Außenministeriums zu dem Bericht.
Neben Waterboarding - bei dem dem gefesselten Häftling Wasser über das Gesicht gegossen und damit das Gefühl des Ertrinkens vermittelt wird - griffen CIA-Agenten laut dem Bericht zu brutalen Taktiken wie Schlafentzug, Demütigungen und Kälteschocks, um den Verdächtigen Informationen zu entlocken.
Kurz nach seinem Amtsantritt 2009 setzte Obama zwar der Praxis ein Ende. Doch erklärte er damals, bei dem Thema lieber „nach vorne, und nicht nach hinten schauen“ zu wollen. Daher solle kein CIA-Agent strafrechtlich verfolgt werden, der rechtlichen Leitlinien gefolgt sei - wie fehlerbehaftet sie auch gewesen sein mögen. 2012 wurden langandauernde Ermittlungen zu möglichen Rechtsüberschreitungen durch die CIA ohne jede Anklage abgeschlossen. Viele der beteiligten CIA-Beamten selbst beteuerten, dass es sich bei ihrem Tun nicht um Folter gehandelt habe.
„Wir haben eine Linie überschritten“, sagte Obama jedoch am Freitag. Doch sei es auch wichtig, daran zu erinnern, wie verängstigt die Amerikaner nach dem 11. September waren. Die Misshandlungen rührten wohl auch von dem auf nationale Sicherheitsbeamte ausgeübten Druck, weitere Attacken abzuwenden, mutmaßte der US-Präsident. Daher sollten Amerikaner nicht allzu „scheinheilig“ sein, indem sie ihre Urteile durch die Brille einer augenscheinlich sichereren Gegenwart fällten.
Gleichzeitig müssten aber auch die USA den von ihnen hochgehaltenen Werten gerecht werden.
Auf zwei zentrale Punkte des erwarteten Senatsberichts ging Obama jedoch nicht ein: Laut dem Report wurden bei den brutalen Verhören keinerlei Informationen zutage gefördert, die Leben gerettet hätten. Zudem habe die CIA gegenüber US-Regierungsvertretern falsche Angaben über die Art ihrer Aktivitäten gemacht.
Obama sagte am Freitag auch, er habe volles Vertrauen zu CIA-Direktor John Brennan. Dieser hatte sich am Donnerstag bei US-Senatoren dafür entschuldigt, dass CIA-Angestellte die Computer von Angestellten des Senat-Geheimdienstausschusses durchsucht hatten, die mit der Untersuchung der Verhörmethoden nach 9/11 beauftragt waren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin