Kommentar Urteil zu CIA-Gefängnissen: Europa ist kein Hinterhof

Der Europäische Gerichtshof macht deutlich: Auch Terroristen haben Menschenrechte. Die USA könnten bald öfter auf der Anklagebank sitzen.

Nahe der Geheimdienstschule bei Stare Kiejkuty gab es 2005 Geheimgefängnisse. Bild: ap

Europäische Staaten dürfen keine Foltereinrichtungen der CIA auf ihrem Staatsgebiet dulden. Sonst verstoßen sie selbst gegen das Folterverbot. Das ist der Kern des Urteils, das der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte jetzt in Straßburg verkündete.

Europa darf sich nicht zum Handlanger für CIA-Praktiken machen lassen, die die Amerikaner – mit gutem Gefühl für Recht und Unrecht – nicht auf ihrem eigenen Staatsgebiet sehen wollen. Europa ist kein Hinterhof für schmutzige Geheimdienstmethoden, wie etwa das sogenannte Waterboarding. Europa ist keine Region minderer Menschenrechtsstandards.

Im Gegenteil. Das Straßburger Urteil nennt klar die Taten der USA und die Mithilfe Polens beim Namen und verurteilt diese als massiven Verstoß gegen europäische Menschenrechte. Gut, dass dieses Urteil einstimmig fiel.

Beschämend ist dagegen, dass ein stolzer Staat wie Polen – der sich selbst gern als europäische Führungsnation sieht – zu dieser Selbstkorrektur nicht in der Lage war. Obwohl die USA unter Präsident Barack Obama die Politik der CIA-Geheimgefängnisse längst aufgegeben hat, scheint der Druck der US-Regierung noch groß genug zu sein, dass die polnische Regierung keine Kritik zu äußern wagte und die polnische Justiz faktisch jede ernsthafte Untersuchung verweigerte und verhinderte.

Umso erfreulicher ist das schnörkellose Urteil des Gerichtshofs aus Straßburg. Es macht deutlich, dass auch Terroristen Menschenrechte haben und dass der Kampf gegen den Terror nie die eigenen Werte verraten darf. Das ist die Stärke Europas. Und daran müssen sich die europäischen Institutionen immer wieder selbst erinnern.

Polen hat vermutlich nicht damit gerechnet, sich je wegen der CIA-Unterstützung verantworten zu müssen. Genauso wie die Bundesregierung bis heute glaubt, die Zusammenarbeit des Bundesnachrichtendienstes mit der NSA unter der Decke halten zu können. Deshalb hat das Straßburger Urteil Wirkung über den konkreten Fall hinaus.

Wer heute Daten für das teilweise völkerrechtswidrige US-Drohnen-Mord-Programm liefert, könnte sich in einigen Jahren ebenfalls in Straßburg auf der Anklagebank wiederfinden. Deutschland sollte nun also nicht auf Polen herunterschauen, sondern schleunigst vor der eigenen Tür kehren.

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Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).

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