Spannungen in Afrika nehmen zu: Ebola-Verdachtsfall in Leipzig
Ein Geschäftsmann ist krank aus den Ebola-Gebieten zurückgekehrt und wurde vorsorglich unter Quarantäne gestellt. Das Virus breitet sich in Afrika weiter aus.
LEIPZIG/MONROVIA dpa | Ein Patient mit Ebola-Verdacht ist am Leipziger Klinikum St. Georg aufgenommen worden. Er habe sich etwa fünf Wochen in Ebola-Gebieten in Liberia und insbesondere auch in der Hauptstadt Monrovia aufgehalten, teilte das Klinikum am Sonntag mit. Der 45 Jahre alte, deutsche Geschäftsmann sei vor sechs Tagen mit hohem Fieber aus Afrika zurückgekehrt. Ein erster Test auf Ebola sei negativ verlaufen. Das Ergebnis eines zweiten Tests solle an diesem Montag vorliegen. Es sei vorsorglich der Quarantänefall ausgerufen worden, sagte der leitende Oberarzt der Klinik für Infektiologie und Tropenmedizin, Thomas Grünewald.
Bisher haben sich die meisten Verdachtsfälle in Ländern außerhalb Westafrikas nicht bestätigt. Symptome wie Fieber und Durchfall gingen auf Malaria oder eine andere Erkrankung zurück.
In Hamburg wird zurzeit ein Ebola-Patient aus Senegal behandelt. Der Mann hatte sich nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation beim Einsatz in einem Labor in Sierra Leone infiziert. Er wird im Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) behandelt. Mit Verweis auf die Schweigepflicht gab das UKE auch am Sonntag keine Informationen zum Zustand des Patienten bekannt.
Spannungen in Westafrika
In Westafrika verschärfen sich unterdessen die Spannungen wegen der Ebola-Epidemie. In Liberia hatte die Quarantäne eines riesigen Slums heftige Proteste ausgelöst – jetzt hob die Regierung die Isolierung nach fast zwei Wochen auf. Unter Quarantäne hatten Tausende Menschen keinen Zugang mehr zu Lebensmitteln und Trinkwasser. Bei den Protesten war ein 15-Jähriger ums Leben gekommen. In Nigeria nahm die Polizei aus Furcht vor Ebola in Hotels Dutzende Menschen aus anderen Ländern fest.
Bereits am Donnerstag hatten wütende Menschen in Guinea mit Knüppeln und Messern Gesundheitsexperten attackiert; Dutzende wurden verletzt. Die Angreifer glaubten, dass bei der Desinfektion eines Marktes in N'Zerekore Menschen infiziert worden seien.
Der Erreger tauchte zuerst in Guinea auf. Inzwischen sind Liberia, Sierra Leone, Nigeria und Senegal betroffen. Bis zum 26. August registrierte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) 3069 bestätigte und Verdachtsfälle, 1552 Menschen starben. Die Behörde befürchtet mehr als 20 000 Infizierte in den nächsten Monaten. In der Demokratischen Republik Kongo gibt es einen isolierten Ausbruch.
„Es war wie die Hölle“
In Liberia feierten Hunderte der bis zu 75.000 Einwohner des Armenviertels West Point in der Hauptstadt Monrovia die Aufhebung der Quarantäne. „Es war wie die Hölle“, beschrieb Bewohner Tom Nyennoh (47) die lange Isolierung. „Wer es sich leisten konnte, hat die Wachleute an den Kontrollpunkten geschmiert“, so ein anderer Bewohner. „Wir gingen dann in die Stadt, um Lebensmittel zu kaufen und unsere Familien am Leben zu halten.“ Die Quarantäne war verhängt worden, weil in West Point rund 40 Ebola-Patienten aus einer Isolierstation von Bewohnern befreit worden waren. Liberia ist am schlimmsten von der Epidemie betroffen.
Ein neuer Ebola-Impfstoff soll schon in den nächsten Tagen in den USA erstmals an Menschen getestet werden. Das Mittel sei vom US-Institut für Allergien und ansteckende Krankheiten (NIAID) und dem Pharmahersteller GlaxoSmithKline gemeinsam entwickelt worden, teilte die US-Gesundheitsbehörde NIH (National Institutes of Health) mit. Die Versuche seien so gestaltet, dass sich die Teilnehmer nicht mit der Erkrankung anstecken könnten. Zu Beginn solcher Tests geht es etwa um die Verträglichkeit eines Mittels.
Die Europäische Union forderte alle Länder auf, dass die betroffenen Staaten weiter über Flugverbindungen zu erreichen sein müssten. Eine kontrollierte Verbindung sei nötig, damit die Hilfe ihr Ziel erreicht und die Wirtschaft dieser Länder funktionieren könne, heißt es in der Abschlusserklärung des EU-Sondergipfels vom Samstag in Brüssel. Die Staats- und Regierungschefs riefen dazu auf, dass die von den EU-Mitgliedsländern bereitgestellte Unterstützung stärker koordiniert wird.
Bei der Bekämpfung des Virus ist eine Ausrottung von Flughunden nach Expertenansicht keine Option. „Solche großangelegten Keulungsaktionen wären vollkommen sinnlos“, sagte Andreas Streit, der das Bonner UN-Sekretariat des Abkommens zur Erhaltung der europäischen Fledermauspopulationen (Unep/Eurobats) leitet, der dpa. Sie würden auch an der Situation nichts ändern.
Das Virus werde derzeit von Mensch zu Mensch übertragen. In einer Kolonie von etwa 10.000 Flughunden seien vielleicht ein bis maximal zehn Tiere infiziert, wenn überhaupt. Streit und andere Experten halten es aber für möglich, dass am Anfang der Epidemie eine Übertragung von einem infizierten Flughund auf einen Menschen gestanden hatte.
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