Schutzanzüge gegen Ebola: Die Pirelli-Männchen-Paranoia
Das Virus werde kaum über die Luft übertragen, erklären Forscher. Die raumanzugähnliche Kleidung verbreite Panik. Sie sei unbequem und teuer.
BERLIN taz | Die Bilder schockieren: Wenn Ebola-Patienten in Industrieländern behandelt werden, tragen die Helfer oft raumanzugähnliche Kleidung mit Druckausgleich und Sauerstoffflasche. Doch diese Schutmaßnahmen seien übertrieben, schreiben Medizinprofessor José Martín-Moreno und zwei Kollegen von der spanischen Universität Valencia in einem Meinungsbeitrag für die Fachzeitschrift The Lancet. Sie warnen: „Die Bilder der Helfer mit spektakulärer Schutzkleidung könnten zu Panik beitragen.“
„Der primäre Übertragungsweg des Ebola-Virus ist über den Kontakt mit Absonderungen des Patienten (wie Blut, Erbrochenem oder Exkrementen)“, heißt es in dem Text. „Ebola wird selten über die Luft übertragen.“
Dennoch würden die meisten Behörden etwa in Spanien, Großbritannien oder den USA im Umgang mit infizierten Patienten mit Druckanzügen arbeiten, die den Kontakt über die Luft verhindern sollen, sagte Martín-Moreno der taz. Diese Ausrüstung sei „teuer, unbequem und unbezahlbar für Länder, die am stärksten betroffen sind“, schreiben die Mediziner. Die Epidemie wütet derzeit in Westafrika.
Handschuhe und Kittel
Normale Atemschutzmasken – also keine Gasmasken –, Handschuhe, Kittel und Schutzbrillen würden im Umgang mit den meisten Ebola-Patienten reichen. „Genau genommen könnten Schutzbrillen und Atemschutzmasken sogar nicht nötig sein, um mit Patienten zu sprechen, die bei Bewusstsein sind – solange ein Abstand von 1 bis 2 Metern gewahrt wird.“ Denn nur so weit würden Tröpfchen mit dem Virus gelangen.
Auch sei es überflüssig, Patienten in Unterdruckzimmern unterzubringen, wo keine Luft nach außen dringen kann, ergänzte Martín-Moreno gegenüber der taz. Im Artikel zieht er das Fazit: „Bei der Kontrolle von Infektionskrankheiten ist mehr nicht unbedingt besser, und sehr oft ist die einfachste Antwort die beste.“
Das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) behandelt derzeit einen aus dem Senegal stammenden Helfer, der sich in einem Labor in Sierra Leone angesteckt hat. Der Mann liegt auf der Sonderisolierstation des UKE, die laut Klinik durch ein Schleusensystem von der Umgebung getrennt ist.
„Durch den permanenten Unterdruck kann Luft nicht nach draußen gelangen“, teilt das Krankenhaus mit. Die Anzüge des Fachpersonals, das die Isolierstation betritt, verfügten über ein eigenes Luftfiltersystem. Bis Redaktionsschluss antwortete das UKE nicht auf eine Bitte der taz, den Lancet-Artikel zu kommentieren.
Leser*innenkommentare
Fotohochladen
"Ebola wird selten über die Luft übertragen", das erzählen wir dann denen, die sich über den sekundären Übertragungsweg infiziert haben, die werden sich aber 'freuen' ; )
Peter Schneider
Unglaublich...
Man muss sich das mal vorstellen.
Der Herr Maurin sitzt da in seinem Büro/Arbeitszimmer fernab von Ebola und den davon betroffenen armen Menschen und lässt die mit der Behandlung betrauten Leute mal eben wissen, wie sie ihren Job zu machen haben...er hat da nämlich neulich mal was gelesen...
Vielleicht sind die Vorkehrungen ja wirklich etwas übertrieben (das kann im Moment eh niemand mit Sicherheit sagen), aber die MitarbeiterInnen im UKE haben ein Rcht auf Netz und doppelten Boden!
Genau wie Ebola-Patienten ein Recht auf bestmögliche Behandlung haben.
Jost Maurin
Redakteur für Wirtschaft und Umwelt, Autor des Artikels
@Peter Schneider Vielleicht sollten Sie Ihre Kritik lieber an die Wissenschaftler richten, über deren Einwände ich hier berichte.
2284 (Profil gelöscht)
Gast
Mmhh, ich finde hier wird etwas zu wenig auf den psychischen Druck der Helfer*innen eingegangen. Ich stelle mir es doch eher belastend vor, Menschen mit einer potentiell tödlichen Krankheit zu behandeln und kann mir gut vorstellen, dass auch übertrieben wirkende Sicherheitsmassnahmen das Sicherheitsempfinden der Helfer*innen eher steigern. Und was die Kosten angeht: Solange wir Kohle für Waffen haben, sollten wohal auch Schautzanzüge drin sein, oder ;-)
Und ich glaube auch nicht, dass durch sowas übertriebene Angst vor der Krankheit ausgelöst wird. Bei genauerer Betrachtung steigern auch übertriebene Massnahmen eher das Sicherheitsgefühl, man ist halt doppelt abgesichert.