Friedenspreis für Edward Snowden: Ed spricht mit Stuttgart
Der Verein „Die Anstifter“ verleiht seinen Friedenspreis an Edward Snowden. In einer Liveschalte spricht der Whistleblower im Stuttgarter Theaterhaus.
STUTTGART taz | „Edward Snowden is with us!", Edward Snowden ist bei uns, ruft Fritz Mielert um 17.28 Uhr durch den Saal des Theaterhauses in Stuttgart. Ein Rollcontainer mit Laptop wird auf die Bühne geschoben, Snowden auf dem Bildschirm. Nach ein paar Wacklern steht die Leitung und der wohl berühmteste Whistleblower der Welt setzt vor den Stuttgartern zu einem Plädoyer an, für den Geheimnisverrat im Auftrag der Freiheit und Demokratie.
Am Sonntag hat der Verein „Die Anstifter“ seinen jährlichen Friedenspreis im Stuttgarter Theaterhaus an Snowden verliehen. Die Anstifter haben 22 Vorschläge, wer die Auszeichnung bekommen soll, zur Abstimmung gestellt. Snowden erhielt die meisten Stimmen. Er hat 2013 als ehemaliger US-Geheimdienstmitarbeiter geheime Dokumente veröffentlicht, die auf weltweite Spionage- und Abhörumtriebe der US-Regierung und ihrer National Security Agency (NSA) hinweisen. Seither ist er auf der Flucht vor amerkanischer Strafverfolgung und lebt in Russland.
Snowdens Bild wird auf die Leinwand im Theaterhaus geworfen. Er sieht schmaler aus, als man ihn von sonstigen Fotos kennt. Er sitzt vor einer schwarzen Wand. Wo, das weiß keiner so genau. In seiner zehnminütigen Rede erklärt er, warum er höchstgeheime Dokumente öffentlich gemacht hat. Er erzählt von Repression und Einschüchterungsversuchen. Und spannt den großen politischen Bogen: Wenn die USA im Kampf gegen den Terror demokratische Grundwerte beschneide, habe sie nicht den Terror bekämpft, sondern ihre eigenen Grundwerte. Er, Edward Snowden, höre nicht auf, für Freiheit zu kämpfen.
Und dann verschwindet Snowden so schnell vom Bildschirm, wie er aufgetaucht war. Die Hoffnung der Anstifter, Snowden interviewen zu können, erfüllt sich nicht. Die Anstifter waren bis zuletzt nervös gewesen, ob es überhaupt klappt, ihn in Stuttgart zu sprechen. Im langwierigen Mailwechsel über den Europa- und Deutschland-Anwalt Wolfgang Kaleck sei die Liveschalte organisiert worden. Ines Pohl, Chefredakteurin der taz, bezeichnet Snowdens Rede als „ein sehr eindrucksvolles Plädoyer“. Sie hatte ihm zuvor in ihrer Laudatio ihre Bewunderung ausgesprochen.
Die Überwachung in der Bundesrepublik
Vorab sagte sie: „Es ist richtig Edward Snowden auszuzeichnen, stellvertretend für all die mutigen Frauen und Männer, die wie Snowden bereit waren, den steinigen Weg des Whistelblowers zu gehen.“ Sie nennt deshalb in ihrer Rede auch Wikileaks-Gründer Julian Assange, Chelsea Manning, die als US-Soldat Kriegsverbrechen im Irak öffentlich machte, sowie die Journalisten Laura Poitras und Glenn Greenwald, die ihrer Verantwortung als Journalisten gerecht geworden seien.
Sie haben erst die notwendige Öffentlichkeit für die brisanten Informationen geschaffen. In einer anschließenden Podiumsdiskussion haben Ines Pohl, Constanze Kurz, Sprecherin des Chaos Computer Club, und Josef Foschepoth, Lehrstuhl für Neuere und Neueste Geschichte an der Universität Freiburg, politische Forderungen geäußert. Constanze Kurz sagt: „Unserem Parlament ist es technisch und rechtlich nicht möglich, den Geheimdienst zu kontrollieren.“ Das müsse geändert werden.
Ines Pohl fordert ein Whistleblowergesetz für Deutschland, ein geordnetes Verfahren für all jene, die geheime Informationen durchstechen. Das Desinteresse des Parlaments in der NSA-Affäre, sofern es nicht um das abgehörte Kanzlerinnenhandy gehe, befremde sie. Foschepoth will der Debatte „historische Tiefenschärfe“ verleihen, wie er selbst sagt. Snowdens Enthüllungen seien nur der Höhepunkt der über 60-jährigen Geschichte der Überwachung in der Bundesrepublik.
Foschepoth warnt außerdem nachdrücklich vor Plänen, Snowden nach Deutschland zu holen, in der Hoffnung, dass Deutschland ihm Asyl gewähre. „Das würde schief laufen. Wenn er hier ankommt, wird er von deutschen Behörden begrüßt und an US-Amerikaner weitergegeben. Das ist die Rechtslage.“ Der Friedenspreis der Anstifter wird seit 2003 vergeben.
Preisträger aus den vergangenen Jahren waren zum Beispiel Fatuma Abdulkadir Adan, eine Anwältin aus Kenia, die für Frauenrechte kämpft. Oder die „Aktion Aufschrei – stoppt den Waffenhandel“, ein Aktionsbündnis gegen Waffenexporte. Mehr als 440 Besucher verfolgten die Veranstaltung im Stuttgarter Theaterhaus.
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