Edathy-LKWs auf der Staße: Der rollende Pranger
Ein Unternehmen hetzt auf zwei seiner LKW gegen die Einstellung des Edathy-Verfahrens. Lob kommt von allen Seiten. Zu Unrecht.
BERLIN taz | Fröhliche Schweine, die für schlechtes Fleisch werben, sind auf LKWs keine Seltenheit. Halbnackte Frauen auch nicht. Die Spedition und Baustofffirma Stegemöller aus dem nordrhein-westfälischen Kamen verzichtet bei zwei ihrer Wagen nun auf Werbung und sendet stattdessen politische Botschaften.
„Da kann #E...y ja froh sein, dass er nur Kinderpornos heruntergeladen hat und keine Musik. Sonst hätten sie ihn ja richtig drangekriegt!“ In großen roten Buchstaben dahinter: „Schämt euch was“. Ein zweiter Spruch lautet: „Kinderpornodownload: 5000,– …Opfer haben Lebenslänglich“. Zu sehen sind die Botschaften seit Montag auf zwei LKW-Aufliegern meist auf den Strecken zwischen Sauerland und Niederrhein.
Die Geschäftsführerin Nadine Stegemöller sagte der Dortmunder Zeitung Ruhr Nachrichten, es gebe zu der Aktion bisher „durchweg positive Reaktionen“ und erklärt weiter, die Firma habe schon lange etwas gegen Kinderpornografie machen wollen, und nun sei die Zeit dafür gewesen. Vater Rudi Stegemöller räumt ein, sie seien ja keine Richter, wollten die Gesellschaft aber wachrütteln.
Die Bild–Zeitung schreibt von einer „Kampfansage“ und einem „ehrlichen“ Protest. Einzige Kritik, die an das Unternehmen herangetragen wird, ist der Vorwurf der Werbung. Die Stegemöllers argumentieren mit ihrem langjährigen Engagement. Tatsächlich wurden ihre Fahrzeuge schon oft mit gesellschaftlichen Statements bestückt. In diesem Fall aber richtet es sich gegen eine Person.
Unterdessen findet eine //www.openpetition.de/petition/online/widerspruch-gegen-die-einstellung-des-verfahrens-edathy:Onlinepetition gegen das Edathy-Urteil 200.000 Unterzeichner. Wer bei Google „Edathy“ und ein „K“ eingibt, bekommt den Vorschlag „Edathy kastrieren“ angezeigt. In den Sozialen Medien kursieren Morddrohungen, Aufrufe zu Selbstjustiz, unpassende Vergleiche zwischen Edathy und Marco Reus. Der BVB-Spieler musste wegen Fahrens ohne Führerschein 540.000 Euro zahlen, Sebastian Edathy dagegen nur 5.000 für das Herunterladen von Kinderpornografie. Die juristischen Argumente hinter diesen Entscheidungen spielen bei vielen Diskussionen kaum eine Rolle.
Die Kamener Stegemöllers zeigen sich derweil „geplättet“ von den zahlreichen positiven Reaktionen. Die Bilder der LKW-Auflieger wurden in den Online-Netzwerken knapp 100.000 mal geteilt, rund 75.000 Daumen gehen nach oben. Übersehen wird jedoch, dass hier jemand, der nach deutschem Rechtsverständnis als straffrei gilt, an den Pranger gestellt wird. An einen rollenden Pranger, den täglich viele Menschen sehen werden. Das Unternehmen lässt Edathy damit keine Chance, aus der Öffentlichkeit zu verschwinden.
Das Herumfahren von Edathy-Schmähungen hilft dem Kinderschutz zudem wenig. Stattdessen werden die Rufe nach Lynchjustiz und einer vorschnellen Verurteilung von Pädophilen lauter. Edathys Gegner haben nicht verstanden, dass das strafbare und unmoralische Verhalten eines Mannes nicht die eigene Unmoral rechtfertigt. Der Anstand, der Edathy von vielen Seiten abgesprochen wird, hat auch bei seinen selbsternannten Feinden keinen Platz.
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