Ausnahmezustand vor Blockupy: Frühling in Frankfurt

Es ist der größte Polizeieinsatz der Stadtgeschichte: Vor den angekündigten Blockupy-Protesten hat in Frankfurt der Ausnahmezustand begonnen.

Demonstrant vor dem Neubau der Europäischen Zentralbank Bild: dpa

FRANKFURT taz | Es gibt ihn also, den frischen deutschen Spargel aus dem hessischen Ried, das Kilo zu 29,98 Euro. Weiß und saftig sieht er aus, nicht so spröde wie manchmal diese, immerhin günstigen, griechischen Brechstangen. Aber auch Walnüsse, Feigen, Datteln, Mangos und Granatäpfel liegen hier in den Marktauslagen an der Bornheimer Warte. Ist das nicht Frühlingsgefühl einer europäischen Ernte? Hier spielt das gute internationale Leben. Im anderen Teil Frankfurts hat einer der größten Polizeieinsätze in der Geschichte der Stadt Frankfurt begonnen.

Rund 8.000 Polizisten aus dem gesamten Bundesgebiet, zahlreiche Wasserwerfer und eine mit Zäunen und Stacheldraht großflächig abgeschirmte Europäische Zentralbank (EZB) – kurz vor den für Mittwoch angekündigten Blockupy-Protesten herrscht in Teilen der Innenstadt bereits der Ausnahmezustand. Zum Vergleich: Bei den Protesten am 1. Mai in Berlin kommen zwischen 6.000 und 7.000 Polizisten zum Einsatz.

Bereits seit Freitag sichert die Polizei mit Zusatzmaßnahmen die Stadt, am Sonntag fing sie an, die Sicherheitszone rund um die Europäische Zentralbank (EZB) im Frankfurter Ostend einzurichten. In dem abgesperrten Gebiet erhalten dann nur noch Polizisten, Anwohner und Geschäftstreibende, die sich ausweisen können, Zugang zu dem umkämpften Viertel.

Am Mittwoch eröffnet die EZB offiziell ihren prunkvollen Neubau am Main-Ufer. Hinter den Glasfassaden des Neubaus, wo die EZB ihren Hauptsitz hat, arbeiten rund 2.600 Menschen für die Stabilität des Euros. Und weil die Notenbank auch Mitglied in der sogenannten Troika ist, die die Sparauflagen der Europäischen Union in Staaten wie Griechenland überprüft, soll sie für tausende Kapitalismuskritiker nun zum Ort des europäischen Widerstands werden.

Der Plan: Am Mittwoch, dem 18. März, wollen dutzende Gruppen mit Mahnwachen, Demonstrationen und Blockaden gegen die europäische Sparpolitik protestieren. Das Blockupy-Bündnis ruft unter anderem dazu auf, den Betrieb der Europäischen Zentralbank (EZB) lahmzulegen.

7 Uhr: Aktionen rund um die EZB, um Zufahrtswege zu blockieren. Geplant sind friedliche Massenblockaden, Musik und Straßentheater.

12 Uhr: DGB-Demonstration in Richtung EZB.

14 Uhr: Kundgebung am Frankfurter Römerberg mit Berichten über die europaweiten Folgen der Sparpolitik.

17 Uhr: Zum Abschluss des Aktionstags startet am Römerberg die Blockupy-Großdemonstration.

19 Uhr: Abfahrt der Busse.

Sicherheitszone um die EZB

Mit Demonstrationen, Kundgebungen und Blockadeaktionen will das Blockupy-Bündnis, ein Zusammenschluss kapitalismuskritischer Gruppen, das Viertel rund um die EZB lahmlegen. Denn das Bündnis will gegen Austeritätspolitik und für Solidarität mit Griechenland demonstrieren. Insgesamt werden mindestens 10.000 Demonstranten erwartet. Frankfurter Bürger müssen mit weitreichenden Einschränkungen rechnen. Zahlreiche Straßen in Frankfurts Innenstadt werden gesperrt sein, auch S- und U-Bahnen könnten von Streckensperrungen betroffen sein.

Frankfurts Polizeipräsident Gerhard Bereswill rechnet damit, dass „ein Großteil der Demonstranten friedlich demonstrieren wird und aus dem bürgerlichen Lager kommt“. Es würden aber auch gewalttätige Gruppen anreisen. Bereswill und Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU) kündigten ein hartes Vorgehen gegen Gewalttäter an.

Polizeipräsident Bereswill verwies unter anderem darauf, dass es in den letzten Wochen bereits wiederholt zu Angriffen auf Luxusläden oder ein Bundeswehrfahrzeug gekommen sei, die einen Blockupy-Bezug aufgewiesen haben sollen.

Das Bündnis wirft der Polizei unterdessen vor, die Stimmung in der Stadt künstlich anzuheizen. Tatsächlich war die Stadt Frankfurt in der Vergangenheit dadurch aufgefallen, besonders massiv gegen Blockupy-Proteste vorzugehen. So verfügte sie wiederholt großflächige Demonstrationsverbote und ging zum Teil hart gegen Demonstranten vor.

Gegen die Sparpolitik

Es mobilisieren aber auch teils militante Gruppen aus dem europäischen Ausland zu den Protesten. Sie wollen vor allem gegen die deutsche Regierung und die von ihr vorangetriebene europäische Sparpolitik demonstrieren, die in einigen europäischen Ländern bereits zu gravierenden Einschnitten etwa bei Sozialprogrammen geführt haben. Auch ist das Spektrum von Gruppen, die sich innerhalb Deutschlands an den Protesten beteiligen wollen, breit. Es reicht von feministischen (siehe Text unten) über antimilitaristische Gruppen bis hin etwa zu Gruppen der radikalen Tierbefreiungsszene, die ebenfalls zu den Protesten ruft.

Unterdessen wird in Frankfurt nicht nur die potenzielle Gewaltbereitschaft einiger Demonstranten und das massive Polizeiaufgebot diskutiert, sondern auch der Umgang der EZB mit der europäischen Öffentlichkeit. Die Zentralbank will zu ihrer Feierstunde neben dem Hessischen Rundfunk nur fünf handverlesene Vertreter von Nachrichtenagenturen und – Überraschung – Börsendiensten teilnehmen lassen.

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung sowie die Frankfurter Rundschau sollten zunächst nicht an der Veranstaltung teilnehmen dürfen. Auch die taz konnte sich nicht für die Feierstunde akkreditieren. Wer mit Steuergeldern einen Neubau wie den der EZB finanziert bekomme, müsse zu dessen Eröffnung auch die Öffentlichkeit teilhaben lassen, kritisierten unterdessen Stadtverordnete und Landtagsabgeordnete.

Busse aus ganz Deutschland sowie ein Sonderzug mit 870 Passagieren an Bord sollen bereits am Dienstag starten. Weil die Aktivisten sich auch auf Polizeikontrollen in dem Sonderzug vorbereiten, begleiten auch Rechtsanwälte, Abgeordnete und Journalisten die Gruppe. Nach Ankunft wollen die Aktivisten gemeinsam zu einer Massenunterkunft, um dann am frühen Morgen am Mittwoch zu zahlreichen Blockaden aufzubrechen. Geht es nach ihnen, soll dann ein neuer europäischer Frühling anbrechen. Nicht für den deutschen Spargel. Aber zum Wohle des Granatapfels und so mancher Dattel.

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