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Bürger setzen Dutschke auf die Straße

Bürgerbegehren der CDU gescheitert: 57,1 Prozent stimmen im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg für die Rudi-Dutschke-Straße. Wahlbeteiligung lag mit 16,6 Prozent knapp über dem Quorum. Klage von Anwohnern ist letztes Hindernis für Umbenennung

Berlin hat Deutschlands erste Rudi-Dutschke-Straße: Beim Bürgerentscheid um die Umbenennung der Kochstraße in Dutschkestraße haben 57,1 Prozent der Wähler des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg für die Dutschkestraße gestimmt und nur 42,9 Prozent dagegen. Die Wahlbeteiligung lag bei 16,6 Prozent (30.695 Stimmen). Damit schaffte das Bürgerbegehren auch das Quorum von 15 Prozent. Erforderlich dafür waren die Stimmen von 27.389 der 182.592 Wahlberechtigten.

„Ich freue mich sehr über das Ergebnis. Damit wurde der Beschluss des Bezirksparlaments durch die Bevölkerung bestätigt“, sagte der grüne Bezirksbürgermeister Franz Schulz. Im August 2005 votierte die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Friedrichshain-Kreuzberg mit den Stimmen von Linkspartei und Grünen für die Umbenennung. Die Initiative „Berlin braucht eine Dutschkestraße“ hatte die taz im Dezember 2004 ins Leben gerufen. Die CDU wollte mit dem Bürgerbegehren die BVV-Entscheidung rückgängig machen.

CDU-Bezirkschef Kurt Wansner sah sich trotz seines gescheiterten Bürgerbegehrens nicht als Wahlverlierer. „Es ist ein gutes Ergebnis angesichts dessen, dass wir gegen eine übermächtige Linke und die taz haben kämpfen müssen“, sagte Wansner. Bestätigt habe ihn vor allem, dass die Anwohner der Kochstraße zu zwei Dritteln gegen die Dutschkestraße stimmten.

„Es ist beruhigend, dass die Gaga-Initiative der CDU gescheitert ist“, sagte Daniel Cohn-Bendit, Vorsitzender der Grünen-Fraktion im EU-Parlament, der taz. Die Dutschkestraße sei ein Symbol für die bundesrepublikanische Geschichte und damit eine Selbstverständlichkeit. Zur niedrigen Wahlbeteiligung sagte Cohn-Bendit, er glaube nicht, dass das Mittel des Volksbegehrens bei dieser Entscheidung geeignet gewesen sei, weil es die Leute nicht konkret angehe. „Ob es uns gefällt oder nicht: 68 ist für viele so weit weg wie der Erste Weltkrieg“, sagte Cohn-Bendit, der in den 60er-Jahren neben Dutschke eine zentrale Figur der Studentenbewegung war. Die Diskussion um die Dutschkestraße habe aber gezeigt, dass die 68er für die Rechten immer noch eine Obsession seien, von der sie nicht loskämen.

Das Ergebnis sei ein zweifacher Erfolg, sagte Petra Pau (Linkspartei). Zum einen bekäme die 68er-Bewegung eine Straße, zum anderen habe die direkte Demokratie funktioniert. „Die Bürger sind der CDU nicht auf den Leim gegangen“, sagte die Vizepräsidentin des Bundestags der taz. Marek Dutschke, Sohn des Studentenführers, freut sich besonders auf die Kreuzung Dutschke- Springer-Straße. „Diese zeigt, dass wir keine Gefangenen der Geschichte sind, dass wir nicht mehr die Kämpfe von gestern kämpfen, wenn gerade da, wo nach dem Attentat auf meinen Vater die härtesten Auseinandersetzungen stattfanden, so ein Symbol entsteht“, sagte er der taz.

Letztes Hindernis für die Dutschkestraße ist jetzt noch die Klage einer Interessensgemeinschaft von Anwohnern vor dem Berliner Verwaltungsgericht. Daran beteiligt ist auch die Axel Springer AG. Nach der Entscheidung des Bezirksparlaments für die Umbenennung hatte Springer-Sprecherin Edda Fels in einem taz-Interview zur Causa Dutschkestraße noch gesagt: „Da sie nun durch ein demokratisches Verfahren verwirklicht wird, haben wir nichts dagegen.“ Der Rechtsstreit hat trotz des gestrigen Bürgerentscheids „aufschiebende Wirkung“. Das Urteil wird in diesem Jahr erwartet. „Ich hoffe, dass wir auch die letzte institutionelle Etappe beim Verwaltungsgericht schaffen. Wir werden dann unverzüglich die Schilder austauschen“, sagte Bezirksbürgermeister Schulz.

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