piwik no script img

Polizei klagt über Autoritätsverfall

Nach dem Gewaltvorfall an einer Lichtenrader Schule ist die Polizei ratlos. Gewerkschaft fordert härteres Durchgreifen der Justiz. Stadträte von Tempelhof-Schöneberg und Schulleiter wollen neues Sicherheitskonzept für Schulen

Der brutale Übergriff auf einen Kriminalbeamten bei einer Schulfeier hat eine neue Debatte über die Gewaltbereitschaft von Jugendlichen mit Migrationshintergrund entfacht. Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Eberhard Schönberg, forderte gestern ein konsequenteres Durchgreifen der Justiz. Die Gewalt gegen Polizisten sei im Vorjahr um zehn Prozent gestiegen; Schönberg beklagte einen „absoluten Autoritätsverfall“. Der Bildungsstadtrat von Tempelhof-Schöneberg, Dieter Hapel (CDU), hat die Polizei und die Rektoren der Oberschulen im Süden des Bezirks am Montag zu einem Gespräch eingeladen.

Der Vorfall hatte sich am Freitagabend vor dem Georg-Büchner-Gymnasium in Lichtenrade ereignet (taz berichtete). Nach Polizeiangaben hatte eine Gruppe von 12 bis 15 schulfremden Jugendlichen nichtdeutscher Herkunft versucht, Einlass zur Schulfeier zu bekommen. Das wurden ihnen von Schülern der Schule, die als Ordner eingesetzt waren, jedoch verwehrt. Der Krimalbeamte Michael M. schritt ein, als einer der Ordner tätlich angriffen wurde. M. war vor der Schule, weil er seinen Sohn abholen wollte. Mit seinem Dienstausweis gab er sich als Polizeibeamter zu erkennen. Er wollte den Ordnern helfen und einen 17-jährigen Schläger festnehmen. Doch dazu kam es nicht mehr.

Laut Polizei stürzten sich die Jugendlichen auf den Beamten, traten und schlugen ihn und benutzten dabei auch eine zwei Meter lange Eisenstange und Gürtel mit Metallschnallen. Sieben Tatverdächtige wurden kurz danach festgenommen. Gegen vier von ihnen ist inzwischen Haftbefehl erlassen worden.

Die Polizei ist angesichts des Vorfalls ratlos. Michael M. sei ein fachkundiger Beamter des Kommissariats für Jugendgewalt, heißt es. „Er weiß Situationen wie diese einzuschätzen, weil er öfters mit solchen Anlässen zu tun hat“, sagt ein Kollege. „Normalweise genügt es, den Ausweis zu zeigen, um sich den notwendigen Respekt zu verschaffen.“ Am Freitagabend war jedoch genau das Gegenteil eingetreten. Alle Dämme brachen, als sich M. zu erkennen gab. „Auf seinem Rücken hat eine regelrechte Entladung stattgefunden“, erklärte der Kollege.

Bildungsstadtrat Hapel sagt, es komme öfter vor, dass ungebetene Jugendliche aus anderen Stadteilen private Partys und Schulfeiern „aufzumischen“ versuchten. Deshalb gebe es die Einlasskontrollen. „Das ist kein Spezifikum von Tempelhof-Schöneberg.“ Eine derartige Eskalation der Gewalt sei aber neu: „Der Polizist ist fast totgeschlagen worden.“ Laut Hapel handelte sich bei der Gruppe vor dem Büchner-Gymnasium überwiegend um Neuköllner Jugendliche libanesischer Herkunft. Laut der Polizei kommt nur ein kleiner Teil aus Neukölln.

Am Montag wollen Hapel und die Jugendstadträtin von Tempelhof-Schöneberg, Angelika Schöttler (SPD), mit sechs Rektoren von Oberschulen und Vertretern der Polizei zusammenkommen, um zu beraten, wie Schulveranstaltungen in Zukunft besser geschützt werden können. Michael M. ist gestern aus dem Krankenhaus entlassen worden.

PLUTONIA PLARRE

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen