: schilys krise
Minister in Bedrängnis
Tritt Schily zurück?
Noch nicht. Doch die Opposition hat ihren Druck auf Bundesinnenminister Otto Schily erhöht. Am Wochenende war der nordrhein-westfälische NPD-Landesvorsitzende Udo Holtmann als V-Mann des Verfassungsschutzes enttarnt worden. CDU-Vorsitzende Angela Merkel warf dem SPD-Politiker daraufhin vor, er habe „sein Haus nicht im Griff“. Der parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, Jörg van Essen, forderte den Rücktritt Schilys und seines bayerischen Amtskollegen Günther Beckstein (CSU): Die Innenminister hätten mit der Benennung von V-Leuten als Zeugen vor dem Bundesverfassungsgericht den NPD-Verbotsantrag entwertet und damit „der Demokratie ernsthaften Schaden zugefügt“. Der Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Wolfgang Gerhardt, meinte, auch Bundeskanzler Gerhard Schröder trage Verantwortung in der V-Mann-Affäre. Der Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Michael Glos, sagte, Schily werde sich nicht bis zu den Wahlen im Herbst halten können.
Freut sich die NPD?
Zumindest laut Spiegel-Berichten. Denn die Fortführung des Verbotsverfahrens wird immer unwahrscheinlicher. Die Partei rechnet mittlerweile fest mit einer Teilnahme an der Bundestagswahl. Überraschend dürften die Enttarnungen für die NDP-Führung nicht gewesen sein: Der vergangene Woche aufgeflogene Spitzenfunktionär Wolfgang Frenz habe NPD-Parteichef Udo Voigt schon 1997 gebeichtet, über 30 Jahre für den NRW-Verfassungsschutz gespitzelt zu haben, berichtet das Nachrichtenmagazin. Auch die Rolle Udo Holtmanns sei gerüchteweise bekannt gewesen (siehe Fotobox). Innerhalb der NPD kursiere ein Flugblatt, das V-Leute des Verfassungsschutzes aufruft, sich zu melden. Fest steht jedenfalls: Mit jedem aufgedeckten Verfassungsschützer wächst der Druck auf das Verfassungsgericht, das Verfahren abzublasen.
Stützen die Grünen Schily?
Noch. Grünen-Rechtsexperte Volker Beck verteidigte Schily gegen die Kritik der Opposition. Ein Ausstieg des Bundestages aus dem Verbotsverfahren sei „das völlig falsche gesellschaftspolitische Signal“. Außerdem sei nicht Schily, sondern seien sein Staatssekretär Claus Henning Schapper und die Abteilungsleiter Werner Müller (Innere Sicherheit) und Klaus-Dieter Schnapauff verantwortlich: „Schily selbst hat ja nichts verbockt“, sagte Beck. Trotz der Pannen könne das NPD-Verbotsverfahren erfolgreich zu Ende gebracht werden, meinte auch Grünen-Chef Fritz Kuhn.
Wie reagiert Schily?
Der Minister gibt den Zweckoptimisten: Das Verfahren stehe nicht auf der Kippe, „eine Kleinigkeit“ seien die Versäumnisse seines Ministeriums. „Es wird auch gar nicht eng“, so Schily am Samstag in München. Damit dementierte er Aussagen seines Staatssekretärs Schapper, der nach übereinstimmenden Berichten von Süddeutscher Zeitung und Focus Bundestagsabgeordneten gegenüber eingeräumt haben soll, der Vorgang werde im Bundesinnenministerium als politisch brisant gewertet: „Langsam kommen wir in Nöte.“ ANDREAS WYPUTTA
FOTO: AP
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