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Dutschke-Straße naht

Wenige Anwohner der jetzigen Kochstraße widersprechen im Parlament von Berlin-Kreuzberg einer Umbenennung

BERLIN taz ■ Den, zugegeben, besten Gag des Abends landeten die adretten Jungs von der Jungen Union. Die Jung-CDUler hatten am Dienstagabend Spruchbänder von der Besuchertribüne des Bezirksparlaments (BVV) von Friedrichshain-Kreuzberg gehängt, auf denen etwa stand: „Es gibt nur ein Rudi – Ex-Teamchef“. Anlass dieser Bekundung war, dass es im Saal der BVV eine Experten-Anhörung zur Initiative der taz gab, die Kreuzberger Kochstraße in Rudi-Dutschke-Straße umzubenennen. Einer der Experten, der taz-Redakteur und Dutschke-Freund Christian Semler, sah die Plakate und sagte auf dem Podium: Er freue sich, dass nun selbst die Junge Union Demonstrationsformen aufgreife, die man 1968 schon genutzt habe. Man habe jedoch damals stets darauf geachtet, dass die Grammatik bei den Plakaten stimme. Ein JUler parierte die Attacke: Die fehlerhafte Grammatik auf dem Spruchband tue ihm Leid, sagte er – aber er habe nun mal einen 68er-Lehrer gehabt.

Solch Eleganz im argumentativen Schlagabtausch war jedoch selten in der BVV. Vor allem die etwa zwei Dutzend CDU-Lokalpolitiker – tatsächlich fast nur Männer – unter den rund 50 Zuhörern nutzten eher die Keule denn das Florett. Kalte-Kriegs-Parolen (Dutschke habe die Arbeiter nie erreicht, Axel Springer sei im Gegensatz zu Dutschke ein Demokrat gewesen) wehten offenbar völlig ungebrochen aus den 60er-Jahren hinüber. Vergeblich mühten sich Semler und der Berliner Straßennamen-Experte Jürgen Karwelat, die Debatte durch sachliche Argumente und differenzierte Aussagen zu gestalten. Für die CDU scheint Dutschke selbst 25 Jahre nach seinem Tod immer noch eine Hassfigur zu sein.

Bei der politischen Diskussion ging die Tatsache ein wenig unter, dass die geplante Straßenumbenennung bei den Anwohnerinnen und Anwohnern kaum auf Interesse stößt. Zumindest waren bei der Anhörung kaum Bewohner der Kochstraße zugegen, obwohl gerade sie zu diesem Abend geladen waren. Die zwei, drei Anwohner, die dann doch da waren und etwas sagten, zeigten sich allerdings wenig begeistert von dem Umbenennungsplan. Allerdings aus meist praktischen, kaum aus ideologischen Gründen. Die Umbenennung macht schlicht Umstände.

Echten Widerstand gab es von dieser Seite nur aus diesem Grund. So sieht es am Ende nicht schlecht aus für die Rudi-Dutschke-Straße. Aller Voraussicht nach wird die rot-rot-grüne Mehrheit in der BVV noch im Sommer die Umbenennung beschließen – im Frühjahr kommenden Jahres könnten nach Einschätzung des zuständigen Stadtbaurats Franz Schulz (Grüne) dann die Dutschke-Straßenschilder hängen. Und das Erstaunliche daran: Mehr als 1.000 Euro werde das Ganze die öffentliche Hand wohl nicht kosten, erklärte Schulz. PHILIPP GESSLER

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