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Koordinierung statt Isolation

Erdgasfahrzeuge emittieren rund 90 Prozent weniger Schadstoffe. Die Informationsdrehscheibe Erdgasfahrzeuge Berlin e.V. will die Etablierung vorantreiben  ■ Von Volker Wartmann

„Dieselruß ist bei weitem der kritischste Luftschadstoff im innerstädtischen Bereich“, sagt Klaus Kutzner, Referatsleiter Luftreinhaltung bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Umweltschutz und Technologie. Seit knapp 20 Jahren ist bekannt, daß Ruß ein kanzerogener Stoff ist. Feine Rußpartikel gelangen über die Atemwege in die Lunge und können dort Krebs auslösen.

Durch die verbreitete Nutzung von erdgasbetriebenen Nutzfahrzeugen können die krebserregenden Rußbelastungen und die Belastung durch andere Luftschadstoffe im innerstädtischen Bereich wesentlich gesenkt werden. Nach Angaben der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Umweltschutz und Technologie tragen Busse und Lkw derzeit mit rund 390 Tonnen Rußemissionen aus Abgasen und Reifenabrieb zur Luftverschmutzung bei. Diese Menge stellt mehr als die Hälfte aller dem Verkehrssektor geschuldeten Rußemissionen dar. „Erdgasfahrzeuge produzieren zwar etwas mehr Klimagase als Dieselfahrzeuge, stoßen aber keinen Dieselruß aus und emittieren insgesamt rund 90 Prozent weniger gesundheitsgefährdende Schadstoffe als Dieselfahrzeuge“, sagt Hermann Blümel, Verkehrsexperte bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Umweltschutz und Technologie. Bisher fahren nur etwa 40 erdgasbetriebene Fahrzeuge in Berlin. Bundesweit sind es rund 2.500.

„Die vermehrte Einführung von erdgasbetriebenen Nutzfahrzeugen scheitert bisher sowohl an den fehlenden politischen Rahmenbedingungen als auch oftmals an verkrusteten innerbetrieblichen Strukturen“, so Blümel. Insbesondere innerstädtische Flottenbetreiber und Serviceunternehmen sollten mittelfristig auf erdgasbetriebene Fahrzeuge umsteigen. Nach Ansicht Blümels bedarf die erfolgreiche Einführung von Erdgasfahrzeugen auf breiter Basis zwingend einer zusammenführenden Strukturierung der bisher isolierten Aktivitäten.

„Um die vorhandenen Kräfte zu bündeln und zu verstärken, ist in der derzeitigen Markteinführungsphase ein gezieltes und abgestimmtes Vorgehen aller Interessenten notwendig“, so Blümel. Aus diesem Grund initiierte er Ende letzten Jahres die Gründung der Informationsdrehscheibe Erdgasfahrzeuge Berlin e.V. Die Mitglieder dieser Gemeinschaftsinitiative stammen aus der Automobilindustrie und der Berliner Automobilwirtschaft, der Mineralölindustrie, desweiteren sitzen Vertreter der Erdgasversorger (Gasag), der Tankstellenhersteller und Flottenbetreiber mit am Tisch. Als Schirmherr des im Oktober 1997 gegründeten Vereins fungiert Umweltsenator Peter Strieder. Der Verein setzt sich insbesondere folgende drei Ziele:

– Schaffung einer regelmäßig tagenden Plattform, welche die Effizienz der verschiedenen Akteure durch eine bessere Abstimmung steigert.

– Eine Informations- und Öffentlichkeitsarbeit, zielgerichtet zugunsten des Einsatzes von Erdgasfahrzeugen.

– Entwurf, Abstimmung und Realisierung von Kooperationsprojekten zur Förderung des Erdgaseinsatzes in Fahrzeugen.

Seit letztem Jahr haben die Berliner Stadtreinigungsbetriebe (BSR) drei erdgasbetriebene Abfallsammelfahrzeuge in Betrieb. „Die Prototypen haben sich bisher gut bewährt. Die Fahrer sind mit den umweltfreundlichen Fahrzeugen sehr zufrieden, weil sie um die Hälfte leiser sind als unsere anderen Abfallsammelfahrzeuge“, sagt Bernd Winkler, Leiter der Gruppe Forschung, Entwicklung und Projektierung bei der BSR.

Eine aufwendiges Unterfangen stellt jedoch bisher das Betanken der Fahrzeuge dar. In Berlin gibt es erst zwei öffentlich zugängliche Erdgastankstellen. Eine befindet sich auf dem Betriebsgelände der Gasag in der Charlottenburger Gaustraße, die zweite wird derzeit in der Karl-Marx-Straße in Neukölln in Betrieb genommen. „Ein weiteres Problem ist, daß die Zusatzausstattung für ein erdgasbetriebenes Abfallsammelfahrzeug rund 60.000 Mark kostet“, so Winkler. Dabei funktionieren Erdgasfahrzeuge mit einem normalen Ottomotor, wie benzinbetriebene Fahrzeuge. Bei Pkw dagegen sind die mit Ottomotor ausgestatteten preislich günstiger als vergleichbare Modelle mit Dieselmotor.

„Umweltfreundlichkeit wird von der politischen Seite nicht honoriert. Wir haben durch unsere abgasarmen, leisen Abfallsammelfahrzeuge keinerlei Benutzervorteile“, sagt Winkler. „Das Gegenteil ist der Fall: Durch die höheren Kosten haben wir gegenüber der privaten Konkurrenz sogar eher noch Wettbewerbsnachteile.“

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