: Klemann laufen Frauen in Scharen davon
■ Der vor acht Jahren gegründete Frauenbeirat in der Senatsbauverwaltung tritt fast komplett zurück. Begründung: Klemann verweigere die Zusammenarbeit. Letzter Streitpunkt: Offener Frauenwettbewerb wir
Frauenspezifische Belange sind in der Senatsverwaltung für Bauen, Wohnen und Verkehr ein rotes Tuch. Zu diesem Fazit kommt der Frauenbeirat, der vor acht Jahren auf Beschluß des Abgeordnetenhauses eingerichtet wurde, um die Behörde für frauenspezifische Belange zu sensibilisieren. Der Beirat wirft Bausenator Jürgen Klemann (CDU) vor, ihn nicht ernst zu nehmen. Während sein Vorgänger Wolfgang Nagel (SPD) noch „begrenztes Interesse“ gezeigt habe, halte es Klemann „bis heute nicht für notwendig, mit dem Beirat zusammenzuarbeiten“. Deshalb sind jetzt zehn Frauen des elfköpfigen beratenden Gremiums zurückgetreten.
Die Begründung der Architektinnen, Ingenieurinnen, Landschaftsplanerinnen und Volkswirtinnen: Mangelhafte und oft viel zu späte Informationen hätten es unmöglich gemacht, Einfluß auf laufende Planungsprozesse zu nehmen. Weil ein bereits 1996 in der Koalitionsvereinbarung zugesagter offener Architektinnenwettbewerb für ein Entwicklungsgebiet jetzt an die Findung eines Investors gebunden wurde, riß den Frauen endgültig die Geduld. „Damit werden innovative Ideen verhindert oder den Marktinteressen von Investoren untergeordnet“, kritisiert die ebenfalls zurückgetretene Beiratsvorsitzende, die Architektin Anke Sander. Die jahrelange Arbeit am Frauenwettbewerb würde „ad absurdum“ geführt.
Streitpunkt ist der Wettbewerb für Biesdorf-Süd, der als offener Frauenwettbewerb geplant war. Derartige Ausschreibungen gibt es auch in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz. Im Falle von Biesdorf allerdings müssen die Architektinnen nun einen Investor finden, wenn sie teilnehmen wollen. „Das ist eine Fessel“, kritisiert Anke Sander. Zudem würden bei dem Wettbewerb für 70 Miet- und 50 Eigentumswohnungen „emanzipatorische Wohnformen auf Reihenhäuser am Stadtrand reduziert“.
Die Sprecherin der Bauverwaltung, Kerstin Appelshäuser, wirft dem Frauenbeirat dagegen „Diskrepanz zum Wettbewerb“ vor. Die Vorschläge von freistehenden Häusern mit Garten, großen Spielplätzen und Kinderzimmern seien zwar „wunderschön“, doch „finanziell im Reich der Illusionen“. Der Vorwurf, Architektinnen würden an den Rand gedrängt, weist sie zurück: „Sie sind voll in die Berliner Baulandschaft integriert.“
Das sieht Anke Sander anders: „Außer einigen Vorzeigearchitektinnen sind Architektinnen so gut wie nicht präsent.“ Das seien „Alibifrauen von namhaften Architekten“. Von den 6.500 Mitgliedern der Architektenkammer sind nur 1.450 Frauen. Die baupolitische Sprecherin der Grünen, Ida Schillen, beklagt ebenso wie die Architektenkammer die zunehmende Tendenz zu Investorenwettbewerben anstelle von offenen Wettbewerben. Damit würden Architektinnen ausgeschlossen. Der Frauenbeirat, der beratenden Charakter hat, müsse Kompetenzen bekommen. Sonst sei er „eine Farce“. Barbara Bollwahn
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen