piwik no script img

Kohl kopiert den Schröder-Trick

Ein frisches Team tat dem Herausforderer gut. Als sich der Kanzler auf die Suche nach neuen Köpfen machte, fand er nur ein altbekanntes Gesicht: Lothar Späth  ■ Aus Bonn Bettina Gaus

Lothar Späth galt stets als einer, der von sich selbst eine hohe Meinung hat. Aber selbst er hat wohl kaum zu hoffen gewagt, daß sich auch Helmut Kohl dieser Ansicht eines Tages noch einmal anschließen würde. Vor neun Jahren war Späth mit einem Putschversuch gegen den Kanzler gescheitert, flog achtkantig aus dem Parteipräsidium des CDU und landete wenig später in der politischen Versenkung. Aus der hat ihn jetzt ausgerechnet sein Gegner von einst hervorgeholt: Späth soll ehrenamtlich den Vorsitz in einem „Beraterkreis für Zukunft und Innovation“ im Kanzleramt übernehmen. Seine „umfassenden Kenntnisse sowohl des politischen als auch des wirtschaftlichen Bereichs“ befähigten den ehemaligen Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg, der heute Vorstandsvorsitzender der ostdeutschen Jenoptik AG ist, zu diesem Amt, erklärte Regierungssprecher Otto Hauser.

Der so Gelobte muß sich allerdings eilig ans Werk machen. Immerhin soll der Beraterkreis im Bundeskanzleramt Großes leisten. Nach 16 Jahren im Amt möchte Helmut Kohl jetzt Vorschläge für den Umgang mit der Globalisierung bekommen. Deshalb soll der neue Späth-Kreis „strategische Konzepte entwickeln, die auf die tiefgreifenden Umbrüche in der Weltwirtschaft und eine umfassende Modernisierung der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Strukturen in unserem Land zielen“. Nur knapp sechs Wochen sind es bis zur Wahl, und noch stehen nicht einmal die Mitglieder des Kreises fest. Da heißt es schaffen. Allerdings meinte der Regierungssprecher gestern in Bonn, es sei „eine Aufgabe, die über den Wahltag hinausgeht“.

Wenn denn Helmut Kohl nach dem Wahltag im Kanzleramt noch das Sagen hat. Die Freunde des Regierungschefs werden weniger. Das zeigen nicht nur Meinungsumfragen, das spiegeln auch Interviews seiner Erben wider: Fraktionschef Schäuble und Verteidigungsminister Rühe erörtern ganz ungeniert Vor- und Nachteile einer Großen Koalition, für die Kohl bekanntermaßen nicht zur Verfügung steht. Zu allem Überfluß stellt dann auch noch die Bild-Zeitung die Schicksalsfrage: „Eine CDU ohne Kohl – kann man sich das vorstellen?“ Aber gewiß doch, meint das ehemalige Hausblatt des Kanzlers: „Die CDU gab es vor Kohl, und es wird sie auch nach Kohl geben.“ Wer solche Freunde hat, braucht keine Feinde mehr.

Aber Helmut Kohl hat ja inzwischen auch keine Feinde mehr. Im Mai holte er sich ausgerechnet Hans-Hermann Tiedje als Medienberater. Noch 1991 soll der Kanzler persönlich auf dessen Entlassung als Bild-Chefredakteur gedrungen haben, weil er sich über eine Schlagzeile geärgert hatte. Jetzt darf Tiedje ihm beim Wahlkampf helfen. Im Frühsommer söhnte sich Kohl dann mit dem sächsischen Ministerpräsidenten Kurt Biedenkopf aus. Seither spricht der langjährige Gegenspieler immer mal wieder an prominenter Stelle über Ostdeutschland, eine Region, wo die CDU eigentlich nur noch zulegen kann.

Namen spielen eine weit größere Rolle als Sachthemen in diesem Wahlkampf. Da ist den Beratern von CDU und SPD offenbar dasselbe Konzept eingefallen. Während jedoch der SPD-Herausforderer Gerhard Schröder vor allem auf bisher unbekannte Gesichter von morgen setzt und damit bei nicht wenigen Parteifreunden unstillbare Sehnsucht nach dem Gestern erzeugt, erinnert sich Helmut Kohl in Ermangelung neuer der alten Weggefährten. Über eine Qualifikation verfügen die immerhin alle: Sie haben Erfahrungen damit gesammelt, wie sich Niederlagen verkraften lassen.

Am Freitag wird Lothar Späth gemeinsam mit Helmut Kohl eine Pressekonferenz geben. Vielleicht verrät er dann, wozu sich Regierungssprecher Hauser gestern nicht äußern mochte: Ob zu dem illustren Beraterkreis mit „Persönlichkeiten aus allen Bereichen der Gesellschaft“ denn auch Wirtschaftsminister Günter Rexrodt hinzugezogen werden soll.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen