Fitneßtrainerin auf dem Rückzug

Edelgard Bulmahn, Bildungsministerin im Kabinett Schröder, muß zunächst die Probleme ihres Vorgängers Rüttgers angehen. Verliert sie dabei ihr Profil, fragt sich  ■ Detlef Berentzen

Berlin (taz) – Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) forderte in seiner Regierungserklärung nichts weniger als das „Fitmachen für die Wissensgesellschaft“. Schröders Fitneßtrainerin, Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD), aber setzte im Gespräch mit der taz nicht auf neue Themen auf die Tagesordnung. Die Niedersächsin will zunächst einmal die von ihrem Vorgänger Jürgen Rüttgers in Warteschleife geparkten Probleme anpacken.

Dazu zählt Bulmahn zuallererst die 20. Novellierung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes, kurz „Bafög“. Im nächsten Jahr will sie als ersten Schritt der Novelle, die Elternfreibeträge anheben. Nicht eben radikal, die Idee. Radikalen Vorschlägen, etwa der einer komplett elternunabhängigen Förderung für alle Studierenden, wird sie dabei ohnehin nicht folgen. „Ich bin nicht der Meinung, daß man allen Jugendlichen eine existenzsichernde Förderung durch den Staat anbieten kann“, bemerkt Bulmahn. Ihren linken studentischen Bündnispartnern aus der Oppositionszeit wird das Lachen vergehen.

„Das können wir nicht finanzieren“, begründet Bulmahn, „außerdem würde das eine nur schwer zu begründende Bevorzugung von Studierenden gegenüber anderen Jugendlichen bedeuten.“ Statt dessen sollen alle ausbildungsbezogenen Leistungen im Steuerrecht zu einem Sockelbetrag zusammengefaßt werden, der allen Studierenden zugute käme. Er dürfte, je nach Berechnungsmodell, in der Höhe von 350 bis 500 Mark liegen.

Keine Bevorzugung, sondern „Chancengleichheit“ – das alte sozialdemokratische Postulat der 70er Jahre steht groß auf dem irgendwie roten Banner der Sozialdemokratin Bulmahn. Da geht es natürlich nicht an, daß Studiengebühren erhoben werden, obwohl damit mancher der anderen Bulmahnschen Reformschritte zu finanzieren wäre. „Ich halte Studiengebühren für ein falsches Signal“, lehnt die Ministerin ab. Die wichtigste Aufgabe sei es, „den Zugang zur Hochschule nicht länger vom Geldbeutel der Eltern abhängig zu machen“. Statt dessen „soll der Zugang zu den Hochschulen von Leistungsfähigkeit und Leistungswillen der Jugendlichen abhängig sein“.

Im eigenen SPD-Landesverband wird die scharfe Gegnerschaft Bulmahns gegen Studiengebühren freilich nicht geteilt. Auch in Niedersachsen soll demnächst eine 100 Mark teure Verwaltungsgebühr erhoben werden, die manche für eine verkappte Studiengebühr halten.

Leistungsabhängig sollen auch die Professoren werden. Die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) hat bereits ihr Professorenfitnessprogramm verkündet und die Lobby der Hochschullehrer damit in kreislauffördernde Wallung gebracht. Niedrigeres Grundgehalt als bisher, vom Erfolg in Forschung und Lehre abhängige Zulagen, weniger Habilitierungsmarathons, schnellere Qualifizierung – eine marktwirtschaftliche Revolution bahnt sich da an! Edelgard Bulmahn, in der SPD als Linke gehandelt, will sie unterstützen. „Es wird ein neues Dienstrecht geben“, sagt sie. „Das ist der Schlüssel für eine Hochschulreform.“

Das Ziel der Bulmahnschen Bildungsreform ist klar: Leistung und nochmal Leistung für den Standort Deutschland! Professoren und Unis müssen sich mächtig bewegen, wollen sie im kommenden Wettbewerb vorne liegen. Konsequent setzt sich die Bildungsministerin für das „Ranking“ nach amerikanischem Vorbild ein, die Erstellung von Ranglisten aller Hochschulen. „Das kann ich mir durchaus vorstellen. Dazu gehört dann auch die leistungsbezogene Finanzierung der Hochschulen. Ich glaube, ich setze mehr Veränderung über Finanzuweisungen durch als über unzählige Vorschriften. Da ist das Geld schlichtweg überzeugender“, ist Bulmahn überzeugt.

Ein Prinzip, von dem Edelgard Bulmahn keinesfalls abrücken will, ist der „Diskurs“. Auf dem Weg der „Verständigung“ zwischen „Bund, Ländern und den Beteiligten am Bildungsprozeß“ will sie vorangehen. Wie das genau zu verstehen ist, das will sie erst demnächst kundtun. Die Frage bleibt nur, ob ihr die blockadewilligen „depressiven Zirkel“ (Oskar Negt) in den Hochschulen folgen wollen und können.

Da lacht die Ministerin von Herzen: „Also ich habe sehr viele lebendige und fröhliche Menschen in den Institutionen kennengelernt.“ Nein, es gebe an den Unis viele, die nach Rahmenbedingungen verlangen, die ihnen das Arbeiten nicht länger erschweren. „Deshalb werde ich die derzeitige Situation verändern. Und dann wollen wir doch mal sehen, ob die Leute an den Hochschulen nicht noch fröhlicher werden, als sie jetzt schon sind.“

Frohsinn im deutschen Wissenschaftsbetrieb? Frau Minister Bulmahn hat sich viel vorgenommen.