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Buchhalter und Anarchist mit nationaler Identität

Volker Schröder war in den 70ern in K-Gruppen aktiv. In den 80ern schämte er sich als Landesschatzmeister der Grünen für deren Deutschlandpolitik. Heute wird der Sprecher der Inititiave 18. März am Brandenburger Tor erneut die Ehrung der Märzrevolutionäre von 1848 fordern  ■ Von Jeannette Goddar

Der Mann hat schon rein genetisch die besten Voraussetzungen dafür, einen längeren Atem zu haben als die, gegen die er kämpft: Sein Vater wurde 92, seine Mutter wird Ende des Jahres gar 100. Dagegen kämpft ihr Sohn erst seit 20 Jahren dafür, daß der 18. März 1848 endlich nicht nur in der Geschichtsschreibung, sondern auch in der öffentlichen Präsentation derselben angemessen gewürdigt wird, als „eins der wenigen Daten der deutschen Geschichte, das mit Freiheitskampf und Demokratie zu tun hat“.

Und weil das so ist, wird Volker Schröder heute nachmittag auf dem Platz vor dem Brandenburger Tor mit einer Rede den Akt der revolutionären Umbennung in „Platz des 18. März 1848“ begleiten, zu dem sich eine so illustre Gesellschaft wie die PDSlerin Petra Pau, der Sozialdemokrat Eckhardt Barthel und die CDUlerin Hanna- Renate Laurien angesagt haben. Sie alle und auch 17 von 23 Berliner Bezirksbürgermeistern, der Bundestagspräsident Wolfgang Thierse sowie der Schriftsteller Martin Walser fordern, dem Tag der versuchten Revolution vor 151 Jahren endlich einen angemessenen Platz im Berliner Stadtbild zukommen zu lassen. 1.848 Unterschriften wollen sie bis heute gesammelt haben. Bisher hat sich der Berliner Senat von der umtriebigen Initiative, deren Sprecher Schröder ist, allerdings noch nicht beeindrucken lassen.

Der Ur-Hamburger Schröder, dem man seine Heimat schon beim „Guten-Tag“-Sagen anhört, hat sie in mühevoller Kleinarbeit alle um sich geschart. Es war im Jahre 1978, als Schröder, damals Mitte 30 und in K-Gruppen aktiv, gemeinsam mit ein paar Genossen beim Pfarrer Heinrich Albertz und der Schriftstellerin Ingeborg Drewitz um prominente Unterstützung anklopfte – und prompt zwei Zusagen bekam. Am 2. Januar 1979 erschien in der Frankfurter Rundschau ein mit 269 Unterschriften versehener Aufruf, der forderte, den 18. März in beiden deutschen Staaten zum Nationalfeiertag zu erklären. Erst nach der Entscheidung für den 3. Oktober als Tag der Deutschen Einheit wurde die Vision eines nationalen Feiertages fallengelassen – und kurzfristig auf die Umbenennung eines prominenten Platzes umgeschwenkt.

Daß Schröder eine stramme K-Gruppen-Vergangenheit vorweisen kann, zu den Gründungsmitgliedern der Berliner Alternativen Liste gehörte und von 1981 bis 1991 Landesschatzmeister der Berliner Grünen war, verwundert dabei nur auf den ersten Blick: Der Leutnant der Reserve macht kein Hehl daraus, daß „das Nationale“ für ihn schon immer eine wesentliche Rolle spielte. Selbst an der KPD, erzählt er freimütig, hätte ihn vor allem die Idee eines „unabhängigen, vereinten, sozialistischen Deutschlands“ gereizt.

Mit seinen Thesen zur nationalen Identität eckte Schröder dann erwartungsgemäß auch in den 80er Jahren bei der AL immer wieder an: Die Nähe zur „Kampagne gegen Wehrpflicht, Zwangsdienste und Militär“ ärgerte ihn ebenso wie die Haltung der westdeutschen Linken, die DDR als zweiten deutschen Staat anzuerkennen. „Regelrecht geschämt habe ich mich für die Deutschlandpolitik der AL und der Grünen“, heißt es dann auch in Schröders Buch „Igel für Deutschland“, das 1992 erschien. Noch heute erregen ihn Slogans wie „nicht deutschnational, sondern weltoffen“: „Das ist doch kein Gegensatz.“

Allerdings schämten sich schon bald auch in der Berliner AL immer mehr für Schröders nationale Haltung sowie für dessen unablässiges Festhalten an der Idee eines geeinten Deutschlands: Vor allem mit seiner Forderung nach der Einführung eines einjährigen „Volksdienstes“ statt der üblichen Wehrpflicht erregte er bei nicht wenigen mittleres Entsetzen. Unter immer mehr ALern galt Schröder, wie er selbst zugibt, mit seinen Thesen als „nicht gesellschaftsfähig“. Und so war es wohl nur eine logische Konsequenz, daß er 1991 seinen Posten als Schatzmeister, für dessen Erledigung er allerdings heute noch aus den Reihen der Grünen gelobt wird, niederlegte.

Seinen Mitgliedsausweis hingegen hat er heute noch – auch wenn er sich vor ein paar Jahren nicht einmal scheute, der Jungen Freiheit ein Interview zu geben. Das zumindest ist ihm heute peinlich. Er sei da wohl „in etwas reingetapst“, erklärt er dazu reichlich unbeholfen, habe sich mit dem Blatt der neurechten Denker wohl „etwas zuwenig auseinandergesetzt“. Was ihn aber immer noch nicht davon abhält, Ernst Jünger ebenso zu zitieren wie Bertolt Brecht.

Statt mit den Finanzen der Grünen beschäftigt Schröder sich heute hauptamtlich mit denen des Berliner Mietervereins. Auch das sei von der Umgebung her so ein bißchen eine Mischung „aus WG und Arbeitsplatz“, sagt Schröder, dessen Vater ihn am liebsten als Buchhalter bei Mannesmann gesehen hätte.

Dort allerdings kann man ihn sich mit seinen Arztsocken und Gesundheitsschuhen auch nicht so richtig vorstellen. Seinen Job allerdings füllt er mit ähnlichem Enthusiasmus aus wie den Kampf für nationale Symbolik. Schröder über Schröder: „Ich bin Buchhalter und Anarchist, weil beides nötig ist.“ Wahlweise bezeichnet er sich aber auch als „Einzelkämpfer und Panzergrenadier“. Außerdem ist er noch Hausbesitzer in Kreuzberg sowie Vater zweier Söhne, an die er offenbar wesentliche Bestandteile seiner Persönlichkeit nicht weitergeben konnte: Beide, erzählt er, halb lachend, halb geknickt, haben sich erfolgreich vor der Bundeswehr gedrückt. Und wenn sie sein Engagement für die Umbennennung eines Platzes beobachteten, würden sie manchmal sagen: „Was ist der Alte starrsinnig, daß er da immer noch dran festhält!“

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