: Trittins kleine Drohkulisse
Wenn die Vorstandschefs der deutschen Atomstromunternehmen die Energiekonsensgespräche aufkündigen, müsste die Bundesregierung Ernst machen mit ihrer Drohung und den Atomausstieg auf dem Gesetzeswege durchziehen. Das könnte nach einem vertraulichen Arbeitspapier aus dem Umweltministerium, das der taz vorliegt, so aussehen: Verbot der Wiederaufarbeitung und Befristung der Betriebszeit der Meiler auf insgesamt 25 Jahre. Beides ist rein rechtlich gesehen möglich, so das Papier. Dagegen sei es rechtlich ausgeschlossen, den Schacht Konrad dichtzumachen, ohne Entschädigung zahlen zu müssen.
Bislang war völlig unklar, was den Atomkraftbetreibern eigentlich droht, wenn sie den Energiekonsens verweigern. Ursprünglich sollten schon im Vorfeld der Verhandlungen die Daumenschrauben angezogen werden: Mit einer Verschärfung des Atomgesetzes und einem Verbot der Wiederaufarbeitung. Doch Kanzler Gerhard Schröder (SPD) ließ seinen grünen Umweltminister Jürgen Trittin auflaufen, als der versuchte, den Koalitionsvertrag umzusetzen. Inzwischen ist auch dem Kanzleramt klar, dass sich ohne Drohkulisse nicht verhandlen lässt.
Daher beauftragte das Kabinett am 7. Juli das Umweltministerium, eine Arbeitsgruppe zusammen mit dem Innenministerium, dem Justizministerium und dem Wirtschaftsministerium einzurichten. Diese Gruppe sollte prüfen, welche rechtlichen Möglichkeiten die Bundesregierung überhaupt gegen die Atomlobby hat: Ein Handlungsszenario für den Fall, dass die Konzerne nicht zum Konsens bereit sind. Die Energiekonsensgespräche wurden derweil bis auf nach der Sommerpause vertagt. Wenn das Papier fertig ist, werden sich zunächst die Koalitionspartner zusammensetzen und – so der Plan – ihre gemeinsame Verhandlungslinie festklopfen. Erst dann geht es wieder in die Konsensverhandlungen mit der Industrie.
Die Arbeitsgruppe ist auf Ebene der Staatssekretäre angesiedelt – bislang trafen sich aber vor allem die Spitzenbeamten der zuständigen Abteilungen. Was sie erarbeiten, stellt das juristisch Mögliche dar, unter der Voraussetzung des Kanzlers, dass die Bundesregierung wirklich keinen Pfennig an Entschädigung dazuzahlt. Bis zum 30. September soll der Bericht fertig sein.
Vor zehn Tagen nun legte das Bundesumweltministerium seine Vorstellungen dem Arbeitskreis vor: Der 85-seitige Entwurf ist Jürgen Trittins maximale Drohkulisse. Was hier nicht drinsteht, wird er später nicht mehr fordern können. Das Papier dokumentiert damit auch die Zugeständnisse, die der glücklose Minister bislang machen musste. Es werden nicht die letzten sein. Dafür konnte sich Jürgen Trittin bereits in einem Punkt revanchieren: Der Vorschlag seines Widersachers im Kabinett, des Wirtschaftsministers Werner Müller (parteilos), einen Konsens mit den Atomkonzernen per öffentlich-rechtlichen Vertrag zu besiegeln, taugt nach Aussagen von Trittins Rechtsexperten nichts. Matthias Urbach, Hannes Koch
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