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Österreicher formieren sich gegen Haider

■ Demokratische Offensive“ aus Künstlern und Menschenrechtsgruppen will mit einer Großkundgebung den Aufstieg der FPÖ und die Verrohung der politischen Kultur umkehren

Wien (taz) – „Keine Koalition mit dem Rassimus“, ist das Motto einer Plattform „Demokratische Offensive“, die sich in Österreich gegen die Gefahr einer Regierungsbeteiligung von Jörg Haider gebildet hat. Mit einer Großkundgebung im Zentrum Wiens am 12. November will sie ein Zeichen gegen Ausländerhetze und Verrohung der politischen Kultur setzen. Der Initiative gehören Menschenrechtsorganisationen ebenso an wie die israelitische Kultusgemeinde und die IG Autorinnen/Autoren. Den Aufruf, in dem ein „Menschenrechtsruck“ statt einem Rechtsruck gefordert wird, unterschrieben namhafte Künstler wie Elfriede Jelinek, Peter Turrini und Milo Dor, und auch politisch exponierte Leute wie der Bosnienbeauftragte Wolfgang Petritsch.

Für Ariel Muzicant, den Präsidenten der israelitischen Kultusgemeinde, manifestierte sich das schroffere Klima in Österreich schon vor der Wahl vom 3. Oktober in einer „Zunahme von Drohbrieben, Schmähbriefen und Drohanrufen um das Zehnfache“. Ein Briefeschreiber, der „im Namen des Volkes Österreichs“ zeichnete, drohte dem Adressaten, er werde „durch einen Verkehrsunfall auf Lebzeiten an den Rollstuhl gebunden werden“. Auch Ausländer werden zunehmend mit „Jetzt kommt der Haider und dann geht's los!“ bedroht.

Die Kundgebung vom 12. November, so der Schriftsteller Doron Rabinovici bei einer Pressekonferenz gestern, soll auf dem Stock im Eisen-Platz vor dem Stephansdom gipfeln, wo Haider zwei Tage vor den Wahlen seine Hetzparolen unter das Volk gebracht hatte: „Die Auseinandersetzung soll an Ort und Stelle erfolgen. Wir werden den Platz im Herzen Wiens wieder einnehmen.“ Die Schauspielerin Elisabeth Orth richtete sich an die 73 Prozent der Wähler, die die FPÖ nicht gewählt haben, „um denen, die irgendwo an der Regierung herumbasteln, zu sagen: Wir sind Österreich!“

Österreich wird drei Wochen nach den Nationalratswahlen noch von einer provisorischen Regierung regiert. Wegen der verfahrenen Lage, dass die ÖVP in die Opposition gehen will und SPÖ-Kanzler Klima ein Bündnis mit Haider ablehnt, hat Bundespräsident Thomas Klestil bisher noch keinen Parteichef mit der Regierungsbildung beauftragt. Klima führt derzeit nur Sondierungsgespräche mit den anderen Parteien. Der ehemalige Finanzminister Ferdinand Lacina kritisierte die Stimmung in seiner Partei, der SPÖ, die Machtergreifung Haiders für unabwendbar zu halten: „Es ist sinnlos, wie das Kaninchen vor der Schlange zu sitzen und zu warten. Der Aufstieg Haiders ist aufhaltbar.“ Ralf Leonhard

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