Kommentar: Ein bisschen schießen ■ Der EuGH öffnet die Bundeswehr für Frauen
Jetzt dürfen wir also auch schießen. Aber nur ein bisschen, nämlich nur in der Ausbildung. Der Europäische Gerichtshof hat gestern entschieden, dass die Bundeswehr sich Frauen öffnen muss. So muss die Bundesrepublik nun also in ihrem konservativsten Bereich tatsächlich einen Schritt aus der partriarchalen Piefigkeit heraustreten: Der Männerbund Militär wird feststellen, dass die Welt nicht untergeht, wenn die Haare nicht über dem Kragenrand geschoren sind und sich in die Marschlieder weibliche Stimmen mischen. Immerhin, immerhin. Denn weibliche Soldaten konnten wir uns als eines der letzten Länder nur in Schwesternhäubchen oder mit Trompete – als eine Art Heilsarmee – vorstellen.
Also, geht doch. Nicht zu stürmisch natürlich. Denn jetzt wird die Frage spannend, in welchen Bereichen der Bundeswehr Frauen demnächst Militärdienst leisten dürfen. In fast allen Ländern sind sie von den kämpfenden Einheiten ausgeschlossen. Daran orientiert sich auch der Europäische Gerichtshof, wenn er den Deutschen Beispiele dafür nennt, wo die Gleichbehandlung durchlöchert werden darf. Dabei wird die Begründung hier brüchig wie das Eis im März: Im Arbeitsrecht beziehen sich diese Ausnahmen vom Gleichheitsgrundsatz eigentlich auf Jobs wie SchauspielerIn oder Model, wo ein männlicher Darsteller eben doch irgendwie besser für eine männliche Rolle geeignet ist und eine weibliche Darstellerin für eine weibliche.
Warum aber passen nur Männer in U-Boote oder in Hubschrauber? Und wenn Frauen angeblich besser schießen als Männer, dann ist kaum zu erklären, warum sie nicht in Kampfeinsätze geschickt werden sollen. Die Gegner voll kampffähiger Frauen führen „israelische Erfahrungen“ an – dabei gilt das Kampftabu in Israel genauso wie in allen anderen Ländern, sodass die Erfahrungen dort nicht gerade groß sein können. Die Gefahr der Vergewaltigung taucht als Argument auch wieder auf – dabei werden in Kriegen nachweislich vor allem Zivilistinnen vergewaltigt.
Wo man hinfragt – Nebel. Das Einzige, was sich dahinter lichtet: das gute alte Patriarchat. Inzwischen kann man sich zwar vorstellen, dass Frauen Panzer reparieren, aber nicht, dass sie schießen. Das Tötungsprivileg bleibt männlich.Heide Oestreich
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