: „Begeisterte Kommunisten“
Eine Gedenktafel erinnert wieder an den KPD-Mann Richard Schönfeld, der 1945 im KZ Neuengamme ermordet wurde. Sein Sohn recherchiert die Eppendorfer KPD-Geschichte ■ Von Peter Ahrens
Das schlimmste war, wenn einer totgeschlagen wurde. Die Schreie wird Richard Schönfeld nie vergessen. Auch wenn es 66 Jahre her ist, dass er und sein Vater als politische Häftlinge im Nazi-Gefängnis Fuhlsbüttel gesessen haben. Eine Haft, die Vater Schönfeld nicht überleben sollte. Morgen vor 65 Jahren, am 18. Januar 1945, starb er im KZ Neuengamme. Seit ein paar Wochen erinnert eine Ehrentafel an der Eppendorfer Frickestraße wieder an Richard Schönfeld senior und sein politisches Engagement.
„Hier lebte und wirkte für Freiheit, Recht und Demokratie der Bäcker Richard Schönfeld“, heißt es auf der Tafel, die am 4. November vergangenen Jahres, dem Geburtstag Schönfelds, wieder aufgehängt wurde. Nicht nur Schönfeld, auch seine Gedenktafel hat ihre eigene Geschichte. Die Tafel hatte seit 1946 in der Frickestraße 34, wo Schönfeld bis zu seiner Verhaftung 1944 gewohnt hatte, gehangen und war nach einem Umbau 1983 plötzlich weg. Die Hausverwaltung beteuerte stets, keine Ahnung davon zu haben, was mit der Gedenktafel passiert sei, und lehnte das Aufhängen einer neuen Tafel ab. Jahr für Jahr zog Schönfelds Sohn am 4. November, am 18. Januar und am 8. Mai, dem Jahrestag des Kriegsendes, mit ein paar Freunden vor die Frickestraße, hängte dort ein Plakat auf, das die Gedenktafel zeigte, und demonstrierte auf diese Weise dafür, wieder an seinen Vater zu erinnern. Bis im vergangenen Sommer zwei Arbeiter die echte Marmortafel im Keller eines benachbarten Hauses unter Sperrmüll fanden und sie bei der Gedenkstätte für den KPD-Chef aus der Weimarer Zeit, Ernst Thälmann, in der Tarpenbekstraße vorbeibrachten. Die Bezirksversammlung Nord stimmte dem Anbringen der Tafel zu, und so kehrte sie nach 16 Jahren an ihren Platz zurück.
Richard Schönfeld ist keiner der Widerständler, deren Namen die Schüler im Geschichtsunterricht auswendig lernen. Stattdessen einer von denen, die immer schon gegen die Nazis waren, egal ob vor oder nach 1933. Einer, der kurz nach der Gründung der Kommunis-tischen Partei 1918 Kommunist wird, nachdem er sich von der SPD enttäuscht abgewendet hat.
Am KPD-Aufstand 1923 in Hamburg nimmt er teil, arbeitet bei der Gewerkschaft der Bäcker, agitiert unter den Arbeitern im Hafen, verteilt die kommunistische Hamburger Volkszeitung, macht Mieterberatung, kassiert die Rote-Hilfe-Gelder in Eppendorf. „Wir waren alle einfach begeisterte Kommunisten“, sagt sein Sohn. Der fes-te Glaube: „Wir müssen durchhalten, und eines Tages wird die Unzufriedenheit in der Bevölkerung so groß sein und die Revolution ausbrechen“, eint sie.
Eppendorf war damals um die Schedestraße, die Niendorfer Straße (heute Geschwister-Scholl-Straße) und die Frickestraße ein rotes Viertel. Man kennt sich, man macht ganz selbstverständlich bei den Kommunisten mit – „Ich bin da einfach so hineingewachsen“, sagt Schönfeld junior. Als die Nazis an die Macht kommen, ändert sich in der Einstellung der Schönfelds nichts. Das Geld für die Rote Hilfe wird jetzt heimlich eingesammelt, Infoblätter über die Kommunistische Internationale werden unter der Hand gelesen und verteilt. Man trifft sich im Kleingartenverein, im Sportverein Eppendorf 08 und diskutiert die politische Lage. Der Sohn geht in den illegalen Kommunistischen Jugendverband. Auch als der 1934 auffliegt und Richard Schönfeld junior zu neun Monaten Haft verurteilt wird, macht man in der Frickestraße weiter. Immer in der Gefahr, erwischt zu werden. Die Gegend ist Polizei und Sicherheitsdienst natürlich bekannt. Hausdurchsuchungen hatte es schließlich schon vor 1933 genug gegeben.
Der Krieg beginnt, „und wir haben eigentlich immer fest daran geglaubt, dass Deutschland ihn verlieren wird“, sagt der Sohn. Auch als Polen, Frankreich, Benelux überrollt werden. Man glaubt unverbrüchlich an die Sowjets, selbst in der Zeit des Hitler-Stalin-Paktes. „Wir hatten Vertrauen, dass Stalin nichts gegen die Arbeiterbewegung tun würde.“ Und ohne Vertrauen läuft in der Illegalität gar nichts. „Man muss an die Menschen glauben, denen man sich anvertraut“, und genau das wird Vater Schönfeld zum Verhängnis.
1943 tauchen nacheinander zwei Männer bei den Schönfelds auf: Alfons Pannek und Herbert Lübbers, beide kommen aus der heutigen Geschwister-Scholl-Straße, beide kennen Schönfeld schon seit Jahren, Pannek, ein alter Spanienkämpfer, Lübbers, ebenfalls Genosse aus Eppendorf. Was Schönfeld nicht weiß: Beide sind von der Gestapo umgedreht und werden als Spitzel in das rote Eppendorfer Milieu gesetzt. Die Warnungen seines Sohnes schlägt der Vater in den Wind, er verspricht Lübbers, der sich als Wehrmachtsdeserteur auf der Flucht ausgibt, ihm einen Revolver zu besorgen. Die Nazis schlagen zu, Schönfeld wird im Mai 1944 verhaftet und landet im Knast, wo sein Sohn schon seit längerem sitzt. Obwohl Vater und Sohn streng isoliert voneinander inhaftiert sind, sieht Richard Schönfeld seinen Vater noch einmal im Herbst 1944 auf dem Gefängnishof sitzen. Aus Angst davor, dass Vater und Sohn heimlich Kontakt aufnehmen, wird der Senior im November nach Neuengamme überstellt. Da ist er schon krank, geschwächt, er stirbt zwei Monate später. „Demnach bin ich wohl schuld dran, dass er nach Neuengamme kam“, sagt Richard Schönfeld heute.
Er selbst kommt im Mai frei, als die Engländer nach Hamburg einziehen, hilft bei der Gründung der Sozialistischen Gewerkschaft am Besenbinderhof mit, bringt als gelernter Elektriker die Lautsprecheranlagen bei den ersten KPD-Veranstaltungen nach dem Krieg an – im übrigen auch die vom Hamburger SV, dem FC St. Pauli und Altona 93. 1947 tritt er aus der Partei aus, als die einen seiner engsten Freunde als Verräter bezeichnet. „Da mußte ich mich entscheiden zwischen der Solidarität zur Partei und zu meinem Freund.“ Schönfeld hat sich entschieden.
Heute ist er 84 Jahre alt, immer noch im Verein der Verfolgten des Nazi-Regimes VVN aktiv, recherchiert die Geschichte der Eppen-dorfer Kommunisten und setzt sich dafür ein, auch an die KPD-Leute zu erinnern, für die es keine Gedenktafeln gibt. „Es sind weit mehr, als man denkt, die nie zurückgekommen sind.“ Noch in den letzten Kriegtagen im April 1945 wurden in Neuengamme einige von denen ermordet, die durch den Verrat Panneks und Lübbers' aufgeflogen waren.
Die beiden Spitzel sind nach dem Krieg nach Argentinien, beziehungsweise in die USA gegangen. Sie sollen dort noch ein gutes Leben geführt haben und wurden nie zur Rechenschaft gezogen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen